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Dramen, die das Leben schrieb Künstler/innen Theater

Zwischenbilanz des Monats

Die Rabtaldirndln
„HALBZEIT“

Vor zwanzig Jahren wurde Graz bekanntlich Kulturhauptstadt. Der Irakkrieg begann und SARS entwickelte sich zur Pandemie. Ach ja: In der Steiermark formierten sich außerdem einige theaterbegeisterte Frauen und bildeten das Kollektiv „Rabtaldirndln“. Nicht zu verwechseln mit dem kurz zuvor aufgelösten „volkstümlichen“ Quartett, den Raabtal Dirndln.

Vor zwanzig Jahren existierte der Begriff „Gender Pay Gap“ ebenso wenig wie „Streaming“. In der Zeit seither wurde unter anderem der Irakkrieg beendet, Covid-19 wurde zur Pandemie und Bürgermeister Nagl wurde abgewählt – das Stück „Betongold“ dürfte nach Dirndl-Angaben mit letzterem in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Manches ist besser geworden, manches schlechter und für wieder anderes gibt es jetzt einfach neue Begriffe. Die Dirndln haben viel gespielt, viel kooperiert, sie haben Dinge auf die Bühne gebracht, denen sich bisher niemand angenommen hat. Sie haben sich, das kann man wirklich sagen, über die Grenzen der Steiermark hinaus einen guten Namen gemacht.

Heuer, nach zwanzig Jahren, haben wir – so viel persönlicher Bezug darf hier sein – mit dieser Zwischenbilanz gleich drei Stücke der Rabtaldirndln gesehen. Na bumm. Deshalb sitzen wir nun auch bei der Pressekonferenz „Halbzeit“ in einem hübsch adaptierten Prunksaal des Museums für Geschichte. Es gibt Schnaps und Schwedenbomben. Barbara Carli, Rosa Degen-Faschinger, Bea Dermond und Gudrun Maier in weißen Blusen und mit erstaunlicher Haarpracht performen nach Herzenslust. Regie führt Felix Hafner. Das sehenswerte Bühnenbild stammt von Helene Thümmel.

Nach einem Rundgang durch ihren gigantischen Kostümfundus können wir einen Vorgeschmack auf die nächsten prachtvollen zwanzig Jahre genießen. Ganze 40 Stücke wird es zu sehen geben. Die Dirndln haben nämlich die Zeit bis zu ihrer Pensionierung komplett durchgeplant. Das bietet Sicherheit für Fördergeber und Orientierung fürs Publikum. So erwartet uns etwa 2024 eine Lesung aus Chats der vier Akteurinnen. 2028 wird das Patriarchat niedergeritten. 2034 gibt es so was wie einen Klima-Porno. Und 2041 mit der „Mausefalle“ von Agatha Christie am mittlerweile verwaisten Grazer Schauspielhaus eine echte Theatersensation. 2043 ist dann endgültig Schluss. Aber bis es soweit ist, wird gesungen und getanzt, gelesen und diskutiert.

Lustig wärs ja, wenn die Gruppe sich wirklich punktgenau an diese Vorgabe halten würde. Aber wer die Dirndln kennt, weiß, dass es immer deutlich anders kommt als man erwarten würde. Das zeigt sich auch an diesem flotten und unterhaltsamen Abend, der die eigene Marke lustvoll hinterfragt, mit Möglichkeiten spielt, den Witz und die Musikalität der vier deutlich zeigt. Ja, selbst bei der Cindy-Lauper-Coverversion. Es ist ein Abend für Fans, nicht mehr, vor allem aber auch nicht weniger. Weiter so, möchte man den Rabtalerinnen noch zurufen, aber da ertönt schon ein Alarm. Ein Besucher hat die Tür mit der Aufschrift „Notausgang“ nicht ganz richtig interpretiert…

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„Halbzeit“, noch zu sehen am 11., 12., 13., 18., 20. und 21. Oktober, jeweils 19 Uhr im Museum für Geschichte, Sackstraße 16, Graz
Karten und Infos: https://dierabtaldirndln.wordpress.com

Foto: Nikola Milatovic

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