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Reisebuch des Monats

Stephan Orth: “Couchsurfing in der Ukraine”, Malik 2024

Der deutsche Journalist und Couchsurfer Stephan Orth wurde hier schon öfter besprochen. Er war in China, in Russland, im Iran, in England (mit dem Rad) und nun war er auch in der Ukraine. Schlechtes Timing?

Keine Bange: Der Mann weiß durchaus, was er tut. Seine Freundin Julija lebt in Kyjiw und von ihrer Wohnung ausgehend machte sich Orth auf die Reise durch ein Land im Krieg. Seine Gastgeber:innen stellen ihn auf Nagelbretter, befragen ihn penibel zu seiner politischen Haltung (immerhin hat er vor Jahren ja auch über Putins Russland geschrieben), laden ihn zum Essen ein, bringen ihn zu ihren Verwandten und erzählen ihm über ihr Leben.

Das Buch ist eine interessante Gegendarstellung, eine Beschreibung “von unten”, aus der Perspektive der Menschen, nicht der Militärs, der Massenmedien oder der Politik. Zugleich beschreibt Orth auch, was der Angriffskrieg anrichtet, wirtschaftlich und sozial, physisch und psychisch. In einer der tollkühnsten Passagen wagt er sich mit einem Fotografen in Gebiete, bei deren Nennung der Mann im Büro der Autovermietung nervös wird. Außerdem transportiert er mit einem fast zur Gänze ruinierten Auto Medikamente in Richtung der Front. Weit kommt er aber nicht…

Es mag ein seltsames Unterfangen sein, in einem Kriegsgebiet bei anderen Menschen Unterschlupf zu suchen und durch das Land zu reisen. Doch genauso kann sich der Autor selbst ein Bild machen – und wir mit ihm. Stephan Orth hat sein Thema und seine Methode gefunden. Das Buch ist ausgesprochen lesenswert, denn wer von uns kennt schon die Ukraine abseits der Schlagzeilen?

Was er allerdings nicht machen sollte: Die Eskalationsstufe zünden und immer abenteuerliche Weltgegenden besuchen. Vielleicht das nächste Mal einfach mal Couchsurfing in Österreich?

Autorenfoto: Mychajlo Palintschak

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