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Buch des Monats Sachbücher

Reisebuch des Monats September

Stephan Orth: “Absolutely ausgesperrt. Wie ich 700 Kilometer durch England reiste und immer draußen blieb”, Malik 2022

Der deutsche Journalist Stephan Orth ist ein Spezialist für Reisebücher mit Überraschungsfaktor. Er betrieb Couchsurfing in Saudi-Arabien, in Russland, in China und im Iran. Er war auch sonst in vielen Weltgegenden unterwegs. Und dann: Kam die Pandemie. Und davor schon der Brexit. Sein Popkultur-Traumland England schien in weite Ferne zu rücken. Also? Nichts wie hin. Es wäre nicht Stephan Orth, wenn ihm dazu nicht irgendeine leicht absurde “Strafverschärfung” einfiele. In diesem Fall: Keine Innenräume betreten. Nie!

Heißt: Campieren im Freien statt Hotels. Baden und Duschen nur im Freien. Essen und Trinken detto. Reisen mit klapprigem Second-Hand-Mountainbike und per pedes (so gut wie immer). Und das alles in einem Land, wo es sehr normal ist, an der Bar zu bestellen, wo es zwar viele Gastgärten und Märkte gibt, aber eben trotz Social Distancing das allermeiste sich im Inneren abspielt. Bye, bye, Pub-Kultur.

Die 755 Kilometer von London bis Newcastle bieten dem Autor nicht nur Abenteuer, sondern vor allem berührende Begegnungen mit Menschen, die ihm ein Stück ihres Gartens für sein Zelt zur Verfügung stellen und ihm zeigen, dass er gar nicht so verrückt ist, wie manche vielleicht glauben mögen. Orths Reise ist nämlich auch ein Selbstversuch: Kann man ohne größere Schäden anzurichten, ein Land durchqueren? Kann man mit einem alten Rad und dem allernötigsten Gepäck Spaß haben?

Wir schreiben das Jahr 2022 und die Flugreisen sind begehrt wie selten zuvor. Ein südösterreichisches Kleinformat schickt einen Journalisten auf Wanderurlaub in die Natur – nach Kanada. Der Klimawandel ist anscheinend was für Öko-Fundis und Langweiler:innen. Dem setzt Orth ein klares Statement entgegen: Es geht auch ohne. Allerdings muss er dabei Kompromisse machen: Sein Smartphone weist ihm den Weg. Und die Anreise nach England erfolgte auch mit dem Flieger. Etwas, das er in Zukunft vermeiden will, sagt er. Man glaubt es ihm.

Schön sind nicht nur die Natur- und Kulturbeobachtungen, die Beschreibungen von Land und Leuten, sondern auch der eine oder andere Tipp für das Reisen mit Rucksack. Und aufschlussreiche 1- und 5-Stern-Bewertungen aus dem Web, die Orth laufend an seinen Zwischenstationen heranzieht. Ein heiteres und lehrreiches Buch, das Anstoß sein könnte für ein Nachdenken über das eigene Reiseverhalten. Und das auch Lust macht auf das manchmal großartige, manchmal kleingeistige Land, das England nun einmal immer noch ist. Dafür gibt es 5 Sterne von uns.

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