Stephan Orth: „Couchsurfing in Saudi-Arabien“, Malik Verlag 2021
Der junge Mann ist unternehmenslustig und durchaus nicht feig. Mit seiner „Couchsurfing“-Tour war er schon in China, im Iran, in Russland. Der Haubentaucher hat über Letzteres hier berichtet. Nun also Saudi-Arabien. Ja genau, das Land, das dieser Tage auch bei uns in den Schlagzeilen ist. Mohammed bin Salman, kurz MBS, regiert mit eiserner Hand und man muss davon ausgehen, dass der Mord am Blogger Jamal Kashoggi nicht ohne sein Wissen über die finstere Bühne des saudischen Konsulats in Istanbul ging.
Stephan Orth, der gleich zu Beginn sagt, eigentlich sei Saudi-Arabien so ziemlich das Gegenteil dessen, was er sich von einem Land politisch und gesellschaftlich erträume, schafft es, seinen Reisebericht offen und spannend zu gestalten, ohne in Klischees zu verfallen. Zwar funktioniert das Couchsurfing nicht immer reibungslos, dafür ist das Land einfach in vielen Belangen zu konservativ eingestellt, aber Orth erlebt von ziemlich illegalen Parties bis zu einem riesigen Musik-Event viel Unerwartetes. Kaum jemand mag mit ihm über Politik oder Religion reden, schon gar nicht diskutieren, aber im Kleinen zeichnet er ein detailliertes Bild seiner Gastgeber (gendern muss man da jetzt eher nicht).
Im Untertitel beschreibt Stephan Orth Saudi-Arabien als „Land zwischen Mittelalter und Zukunft“ und genauso liest sich auch sein Buch. Mit seinem feinen Hang zur Ironie geht er den Sachen auf den Grund. Wie man in neun Wochen so viel Material sammeln kann, so viele Begegnungen mit wildfremden Menschen erleben kann, das ringt wirklich Respekt ab. Auch wenn es in Russland noch lustiger, im Iran noch kniffliger war, „Couchsurfing in Saudi-Arabien“ ist ein Buch, das genau jetzt besonders wertvoll ist. Für das Reisen im Kopf. Wir sind gespannt, wie der Autor das jetzt noch toppen will…