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Tonträger des Monats November

verifziert: „bulletholes“, LP/digital, VÖ 1. 11. 2024

Die Wienerin, bürgerlich Veri oder in Langform Verena Haselboeck, ist hierzulande mittlerweile das Maß aller Dinge. Mit ihrem Cloud-Pop, wie sie ihren Sound selbst nennt, und mit Kollaborationen von Yugo bis zu Juli (mit dem sauerfolgreichen Remake von „Perfekte Welle“), mit reichlich FM4-Hype, einer Website, die nur aus einem Shop besteht. Mit einem Insta-Account, der tatsächlich verifiziert (samt blauem Haken) heißt. Und mit diesem zweiten Album, das verträumte Töne mit poetischen Lyrics verbindet. Damit das wirklich gut klingt, hört euch das bitte auf einem ordentlichen Endgerät an, es macht einen Unterschied.

Lieblingssong: „kaputt“. Aber alle anderen („fliegen“!) sind auch sehr super. Der Alternativ-Sender des Landes hat schon mal von einem „Album des Jahres“ gemurmelt, bevor es draußen war, weit weg davon ist es wahrlich nicht. Wie man gleichzeitig so sanftmütig und so cool sein kann, ist eines der Zauerkunststücke dieser Frau. Prädikat: 1000 Sterne am Wiener Nachthimmel.

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Vienna Rest in Peace & Fritz Ostermayer: „Schande“, EP, VÖ 9. 10. 2024

Die Kombi passt hervorragend und speziell rund um Allerheiligen treibt es den Herrn Ostermayer samt der Wiener Sterbepartie gerne durch die Lande. Diesmal ist auch wieder Marilies Jagsch dabei, die bei der letztjährigen Abschiedstour, die dann doch keine war, passen musste. Mit brüchig-rauer Stimme brummt der alte Fritz über Zeitzonen, die Tiere und andere Schanden. Schön auch das nachfolgende Duett, das zart nebeneinander vorbei klingt. Und wir lernen auch wieder was dazu: „Der Mensch stammt von meiner Mutter ab“. Mehr als vier Songs sind diesmal nicht drin, aber um den November etwas düsterer zu machen, reicht das allemal.

Für alle in und um Wien gibt es auch noch einen Live-Termin: Am 11. 11. ist die RIP-Truppe im Stadtsaal. Der Faschingsauftakt will schließlich mit Schande überzogen werden. Und wenn wir was wünschen dürfen: Weitermachen! Zum Aufhören ist später auch noch genug Zeit.

Foto: Klaus Pichler

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Tobias Hoffmann Jazz Orchestra: „Innuendo“, Mons Records, CD/digital VÖ September 2024

Manchmal zahlt sich Hartnäckigkeit aus. Der Saxophonist, Komponist und Dirigent Tobias Hoffmann, der aus dem deutschen Göppingen stammt, mittlerweile aber in Graz lebt, hat uns bereits vor Monaten von seiner neuen Platte berichtet. Jetzt endlich war es Zeit. Und obwohl wir keine Jazz-Aficionados sind, hat uns „Innuendo“ wirklich begeistert. Damit sind wir bei weitem nicht allein. So sagt der mit einem Grammy ausgezeichnete Michael Abene: „I was blown away by what I heard on these recordings, to say he has matured as an Arranger/Composer is an understatement. The writing is fresh, exciting and requires serious listening.“

Die Platte fetzt auch nicht von ungefähr. Einerseits vereint sie Jazz-Sounds mit klassischen und darken cineastischen Elementen, andererseits ist da eine fantastische und üppige Besetzung am Werk. Die Stimmung dieser Platte führt einen in den guten alten Jazzkeller, wo an der Bar schon der sorgsam gereifte Whiskey wartet und auf der Bühne sich die Band bereit macht. Oh yeah!

Wenn es heuer nur eine einzige Jazz-Platte werden darf, dann diese! 

Und weil wir nicht die einzigen sind mit der Begeisterung wurde Innuendo“ im Mai 2024 bei den 47th DownbeatStudent Music Awards in der Kategorie „Original Composition -Large Ensemble“ als „BestComposition“ ausgezeichnet. Gratulation. Und hoffentlich bald mal live!

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LAIKKA: „I Close My Eyes, Tomorrow“, Fabrique Records, LP/digital, VÖ 3. 10. 2024 

Laikka sind laut Selbst-Beschreibung ein „genre-fluid post-pop duo“, so nennt man das also. Das hier ist jedenfalls das dritte Album der beiden und wie immer zeigt sich eine schöne Portion Talent. Im Gegensatz zu unserem ersten noch recht strengen Urteil aus dem Oktober 2021, sind wir diesmal dann auch richtig überzeugt: Diese Platte muss es sein. Diese Kombi aus dem Sound der Gegenwart, glockenhellem Gesang, dumpfem Technogedröhn, dem geschmackvollsten Rauschen seit langem, aber auch dem Bezug zum klassischen britischen Pop-Anti-Pop (Pet Shop Boys, New Order bis hin zu Aphex Twin) haut dich vom Hocker, wenn du nicht aus Eis oder Beton bist. Keine sommerliche Gaude, sondern genau der richtige Sound für einen recht düsteren Spätherbst. Solltest du zufällig selbst ab und an auflegen: Hol dir diese Scheibe und zerleg den Club in seine Einzelteile. Sonst halt das eigene Wohnzimmer!

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Origina1Nerd: „System Overload“, VÖ 15. 11.

Also das ist jetzt nicht wirklich nerdig und trotz der 1 im Namen hat das auch nicht viel mit Bits & Bytes zu tun. Sondern: Mit Jazz. Ja, noch mal Jazz hier auf dem Indie-Portal. Kleinere Besetzung, höhere Geschwindigkeit als bei Tobias Hoffmann und man ist auch näher beim Pop/Rock und der Elektronik als beim klassischen Jazz. Maximilian Glanz (Saxophon), Andreas Erd (E-Gitarre), Thomas Quendler (Keys), Jakob Gönitzer (E-Bass) und Jonas Kočnik (Schlagzeug) liefern jedenfalls unter dem Signet Origina1Nerd eine sehr solide Talentprobe ab. Mal reinhören?

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Little Element: „Trippy Moon“, Seayou Records, VÖ 27. 9. 2024

Auch hier handelt es sich um das zweite Album. Little Element ist die Innsbrucker Produzentin, Multi-Instrumentalistin und Songwriterin Lisa Aumaier. Verstärkt hat sie sich für diese Platte mit Gastmusiker*innen, u.a. Stella Lumina aus den USA oder Nadia Lago Saez von der spanischen Band Ketekalles.

Und wenn diese Platte am Ende unserer Tonträger-Empfehlungen im November zu finden ist, heißt das nicht, dass wir das Album nicht inniglich lieben. Im Gegenteil: Nehmt es als würdigen Abschluss. Und zugleich als einen der Höhepunkte dieses Herbstes. Schon der erste Track mit Sitar-Sounds hat uns umgehauen. Little Element hat von Psychedelic über Dub, Worldmusic bis zu Trip Hop so viel zu bieten, dass es eine wahre Freude ist. Dabei ist das nie beliebig, die Tirolerin versteht es Songs in die Welt zu setzen, die du in vielen Momenten hören kannst und willst. Entspannt, lässig, gechillt und dabei immer groovy & cool. Macht glücklich! 

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