Martin Behr: “Triesterstraße 84/VII”, Matthey & Melchior 2023
Martin Behr, Künstler und Journalist aus Graz, setzt mit diesem Buch seiner Mutter ein fotografisches Denk-Mal. In Dutzenden Fotografien, die er bei seinen Besuchen in der elterlichen Wohnung seit 1999 gemacht hat, nähert er sich ihrem Leben. Details wie das Muster einer Küchenrolle, ein Druckknopf im Lift, Stofftiere oder das Dekor von Geschirr werden in den Mittelpunkt gestellt. Der Effekt: Behr zeichnet ein zeithistorisches, vielleicht sogar soziologisches Bild einer österreichischen Familie. Die Triestersiedlung mit ihrem ganz eigenen Charme, ihrer Wohnraumgestaltung und ihrer sozialen Zusammensetzung rückt damit einmal mehr in den Fokus von Behrs Werk.
Das Buch bezieht einen Teil seiner erstaunlichen Wirkung auch durch die Wiederholung mit leichten Variationen. Das Kaffeegeschirr, das Titelblatt der Zeitung, Decken, Pölster. Seine Protagonistin zeigt Behr nicht direkt. Nur auf einigen Fotografien, die in der Wohnung zu finden sind, ist sie zu erkennen. “Triesterstraße 84/VII” ist ein detailreiches Bilderbuch aus Graz, das einen künstlerischen Blick mit der Realität einer (früheren?) Arbeiter*innensiedlung verbindet. Chapeau!