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Tonträger des Monats Oktober / Ö

Candlelight Ficus: “Golden Life”, VÖ 14. 10. 2022

Ja, wir wissen es eh. Wir haben leider den Album-Release in Graz verpasst. Aber es war halt echt viel los bisher im Herbst. Die Jungs werden es verschmerzen, schließlich gelten sie als “eine der besten Live-Bands Österreichs” (sagt der große Eberhard Forcher) und da wird schon ordentlich Publikum gekommen sein. Was macht das Grazer Quartett so? Funk, Soul, Latin und Pop. Als Einflüsse werden interessanterweise folgende Artists genannt: Vulfpeck, John Mayer, Prince, Paul Simon, Michael Jackson, Parcels. Und wenn wir schon beim Namedropping sind, die Bandmitglieder in alphabetischer Reihenfolge:
Simon Brugner: drums,voc,perc
Jonathan Herrgesell: sax,voc
Fridolin Krenn: bass,voc,perc
Niki Waltersdorfer: voc,git,perc
Die Herrschaften haben sich eigentlich für einen Bandwettbewerb formiert, waren schon beim Songcontest-Vorentscheid dabei und als Showband bei der “ORF Tafelrunde”. Kann schon mal vorkommen, dass sie so Sachen singen wie: “I don’t like your coffee, but I like your style”, aber da darf man ihnen auch nicht gram sein. Ein cooles und warmherziges, leichtes, getragenes und dann wieder flottes Album. Und den nächsten Live-Auftritt lassen wir garantiert nicht sausen!

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Vienna Rest in Peace: “Album für die Jugend”, Trauerplatten VÖ 23. 10. 2022

Das ist das zweite Album der quasi lustigsten Wiener Partie überhaupt. Das erste kommentierten wir folgendermaßen.

Endlich wird Schumanns Ode an die Jugend einmal ordentlich gewürdigt. Und dem Gott der Langsamkeit gehuldigt. Es wird “kein Wienerlied” gespielt. Und “mit schlafenden Hunden” um die Wette geschnauft. Schöne Begriffe wie “Moritat” kommen wieder aus der Gruft gekrochen. Und der Weltschmerz wird auf eine wienerisch-entspannte Art zu Gehör gebracht. Natürlich hält heute kein/e Jugendliche/r mehr ein Feuerzeug in die Höhe. Aber Smartphones gibt es auf diesem Friedhof der Kuscheltiere nicht. Für alle Wiedergänger, Schmerzverdränger und Trauervögel. Mit einiger Verzögerung ist damit auch endlich eine passende Wiener Antwort auf die Hamburger Schule formuliert. Schubidu. Wir lieben es!

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Thomas Andreas Beck: “Ernst”, Medienmanufaktur Wien, VÖ 21. 10. 2022

Der Kollege Stöger vom Falter hat die Stimme des Herrn Beck mit dem jungen André Heller verglichen, aber “ohne die überschwängliche Energie des Größenwahns”. Das ist nicht falsch, zugleich gibt es einige Namen, die für das Album mehr Bedeutung haben: Thomas Pronai, hier schon etliche Male erwähnt, und Georg Allacher. Im Umfeld der Cselley Mühle ist es entstanden, das inzwischen sechste Album des Wiener Liedermachers. Er widmet die Platte seinem Mentor, dem im Jänner 2021 verstorbenen, Sozialforscher Ernst Gehmacher. Und wie klingt “Ernst” jetzt? Politisch, gesellschaftskritisch, behutsam, als würde da einer Schwung holen, bevor er so richtig loslegt. Songs heißen “Aleppo” oder “Hass”, “Demokratie” oder “Deponie”. Man merkt, der Mann hat was zu erzählen und das hat wohl auch sehr deutlich mit seiner Biographie zu tun. Einst Manager, dann Marken-Berater, Coach, später vor allem im Kulturbereich äußerst umtriebig, kennt er den Kapitalismus und seine dunklen Seiten nur zu gut. “Ernst” übertreibt es aber nicht mit der Alltagssoziologie, sondern ist immer in erster Linie Musik und Poesie. Feine Sache, die hoffentlich die verdiente Aufmerksamkeit bekommen wird. Vormerken, Wien: Albumpräsentation am 22.10.2022 im Theater an der Gumpendorfer Straße (TAG).

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Olive Grove: “r”, cracked anegg records, VÖ 30. 9. 2022

Franziska Katzlinger (vocals, lyrics), Lukas Leitner (Fender Rhodes), Raphael Keuschnig (drums), Oliver Steger (bass, composition) sind Olive Grove. Auf dem Album mit dabei: Lorenz Raab (Flügelhorn) und Niko Afentulidis (sopran & tenor saxophone). Oliver Steger? Ja genau, der von Café Drechsler. Und wie klingt seine neue Band, die Olive mit R? Jazzig. Für uns ältere Semester: Wie ein schöner verrauchter Abend in der “Grünen Spinne” am Grazer Glacis. Für die Wieners: Porgy & Bess vielleicht? Sehr cool wird es spätestens dann, wenn Franziska Katzlinger die Stimme erhebt. Man orientiert sich an der klassischen amerikanischen Schule, durchbricht die alten Muster aber immer wieder. Also wird es zuweilen rockig, manchmal auch poppig. Aber vor allem ist “r” in jeder Phase stylish. Und dabei auch nachdenklich. Denn auch an den Jazzer*innen sind die Verwerfungen der Zeit nicht spurlos vorbei gegangen. Bemerkenswert übrigens: Die Band hat genau sechsmal geprobt, dann ist man bereits ins Studio gegangen. Könnte so was wie österreichischer Rekord sein. Und das ohne jedes Hudeln.

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radio.string.quartett: “B:A:C:H – like waters”, VÖ 7. Oktober

radio.string.quartet

Wenn wir schon in der ernsteren Abteilung der Musik sind, dann aber richtig. Das radio.string.quartet mit Bernie Mallinger, Sophie Abraham, Cynthia Liao und Igmar Jenner holt die G-moll Violinsonate von J.S.Bach aus der Geschichte in die Gegenwart. Wir reden von einem Stück Musik, das gut 300 Jahre auf dem Buckel hat. Aufgenommen im Frühjahr dieses Jahres unter anderem im Kunsthaus Weiz bietet dieses Album einen Hörgenuss, wie er selten geworden ist. Das Streichquartett, das unzweifelhaft zu den besten seiner Art in Mitteleuropa zählt, hat es geschafft, einen ganz eigenen Klang zu entwickeln, um nicht “Sound” zu sagen. Und wie darf sich die geneigte popkulturell geprägte Leser*innenschaft diesen vorstellen? So, sagt der Pressetext: “Schmeichelnd, fordernd, suchend, wild, zerbrechlich, enthusiastisch, dramatisch, süß, kraftvoll, cineastisch.” Ein prachtvolles Stück alter Musik, das uns geplagte heutige Seelen ein bisschen runterkommen lässt.

Tipp: am 17. November spielt das radio.string.quartet im Dom im Berg in Graz.

Foto: Jana Madzigon

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Farewell Dear Ghost: “Conditional Panic” (EP), Ink Music, VÖ 14. 10. 2022

Kenner*innen unseres Hauses wissen, dass wir hier üblicherweise keine EPs oder gar Singles besprechen. Es wäre sonst einfach zu viel für eine kleine Haubentaucher-Redaktion. ABER: Für eine unserer Lieblingsbands machen wir hier und jetzt eine Ausnahme. Die Wien-Graz-Indieband mit dem Hang zum dezenten Stadionrock ist endlich wieder da. Erst mal mit vier Songs und zwei Videos. Mit alter Kraft und neuer Frische. Das Team scheint sich neu aufgestellt zu haben. Die Pause hat sich ausgezahlt. Dem Hype entkommen. Und wieder mehr auf den Rock-Weg abgezweigt, was wir sehr begrüßen. Es ist eine kleine Platte, die mehrmals “Wow!” macht. Verdammt, werden sich jetzt vielleicht manche Mitbewerber*innen denken, wie machen die Jungs das? Wow!

Hier ein bisschen reinschnuppern?

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