Young Gods: „Play Terry Riley In C“, Two Gentlemen VÖ 9. 9. 2022
Das ist wahrlich ein bombastisches Unterfangen: Die Young Gods aus der Schweiz beschäftigen sich bereits seit 2019 mit Rileys Werk „In C“. Zwischenzeitlich führte diese Auseinandersetzung auch zu einer Aufführung mit 85 Musiker*innen. Nun liegt ein Album vor, das sich ziemlich werktreu und auf eine gewisse Art und Weise reduziert und treibend geriert. Oder wie es der Pressetext beschreibt: „Auf diesem Album bieten The Young Gods eine neue Interpretation von In C, als Trio und mit ihrem eigenen Klangvokabular – elektronische Instrumente, Schlagzeug und Gitarren. Sie haben sich dafür entschieden, der Partitur und den Angaben von Terry Riley zu folgen, wobei sie sich einige zusätzliche Freiheiten erlauben, zum Beispiel bei der Steuerung der Klangintensität…“
Ein wildes und doch knochentrockenes Getrommel trägt die neun Teile von „In C“. Es ist eine Platte, die euch nicht mehr loslassen wird. Sensible Gemüter wird sie aus den Schuhen heben. Hypnotisch und mitreißend.
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Fehlfarben: „?0??“, Tapete Records VÖ 14. 10. 2022
Es gibt Sachen, die kann es eigentlich gar nicht geben. Hey, diese Band war schon 1980 wichtig, sie hat uns über Jahre gerührt und geschüttelt. Dann war es aus. Nie haben wir die ersten Alben der Fehlfarben aus den Augen verloren. Sie blieben in der Plattensammlung ein gut gehüteter Schatz. Und jetzt sind sie wieder da als wäre nichts geschehen. „Mach dich auf den Weg, den Weg, den keiner sonst geht“, singt Peter Hein und da hat er uns wieder eingefangen. Es folgen 11 weitere Songs, die diese sehr spezielle Fehlfarben-Welt auf eine gänzlich unpeinliche Weise wieder zum Leben erwecken. Macht großen Spaß und nun überlegen wir sehr ernsthaft, ob der 10. November in der Arena Wien nicht eigentlich ein Pflichttermin ist.
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Lambchop: „The Bible“, City Slang, VÖ: 30.9.
Kurt Wagner, Lambchop-Mastermind, sagt über das vielleicht ärgste Album, das die Band jemals gemacht hat Folgendes: „I feel that in what I’ve been doing all this time. It’s all about really not getting too fucking hung up being a serious fucking musician and enjoying each other’s company. It’s a social thing that we do together. And it should be enjoyable. If it’s not—which I think ends up being for most musicians as they spend their careers doing it, it becomes a fairly joyless fucking thing. And when I see that coming, I do not want it in my life. That’s just like, why do it if you’re not enjoying it?“
Einig scheint sich die Musikpresse jedenfalls zu sein, dass „The Bible“ wirklich so was ist wie eine Bibel für Kurt-Wagner-Fans und deren gibt es ja nicht wenige. Er hat alle seine Stärken und Eigenheiten in die zehn Songs gepackt. Wer das nicht spannend findet, soll mit 3 Jahren Ö3 in Dauerschleife bestraft werden. Das Polizeihund-Video zum Album flasht auch gewaltig, wie ihr gleich sehen werdet. Dieser Bibel folgen sogar Atheist*innen.
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Sorry: „Anywhere but here“, Domino Records, VÖ 7. 10. 2022
Ob Sorry der beste Bandname aller Zeiten ist? Eher nicht. Ob man sich die Band aus dem Norden Londons trotzdem merken sollte? Ganz sicher. Die erste Platte „925“ wurde von niemand Geringerem produziert als Lana Del Rey und Gorillaz-Member James Dring. Die neue ist ein bunter Irrgarten voller schräger Lo-Fi-Sounds, irgendwo im Grenzgebiet zwischen Pop, Grunge und irgendwelchem britischem Hype-Dings. London spielt eine große Rolle. Klänge aus dem Alltag der britischen Metropole wurden recycelt. Das Durcheinander der Stadt in Musik übersetzt. Mehr als bemerkenswert!
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1000 Robota: „3/3“, Tapete Records, VÖ 30. 9. 2022
Die Robotas sind eine der interessantesten deutschen Bands seit gut 15 Jahren. Klingt zwischendurch fast wie ein elegantes Side-Project des wilden Paul Plut aus der Steiermark. Dann wieder wie ein New Wave Experiment, das Jahrzehnte verschollen war. Es ist ein mysteriöses Ding, das eine ganz eigene Anziehungskraft hat. Das ist auch anderen nicht verborgen geblieben, wie die Band zu berichten weiß: „Namhafte Bands wie Fettes Brot, Franz Ferdinand, die Arctic Monkeys, Rammstein u.a. riefen an, wollten uns auf Tour mitnehmen, Kollaborationen oder Ähnliches. Das war toll. Ablehnung blieb natürlich auch nicht aus, genau wie Anfeindungen und Hatespeech, bevor dies überhaupt zum „normalen“ Umgangston im Netz mutierte. Sogar Stefan Raab wollte uns auf seine TV-Total Couch holen. Haben wir damals aber nicht gemacht.“
Es schien schon, als hätten die drei Herren Sebastian Muxfeldt, Jonas Hinnerkort und Anton Spielmann ihren Platz zwischen Kunst, Punk, Indie und DIY gefunden. Aber so einfach ist das nicht. Und jetzt kommt die gute Nachricht: Aus dem Komplexen entsteht Großes. Diese Platte macht es dir nicht leicht. Aber wenn du wissen willst, wie Kurt Weill 2022 geklungen hätte, wirst du da reinhören müssen. Und wir sind ziemlich sicher: Am Ende wirst du alle drei Drittel haben wollen.