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Tonträger des Monats April

Ein sehr sehr starker Musik-Monat, dieser April 2025. Mit ein paar äußerst erfreulichen neuen Stimmen und ein paar richtig gut erhaltenen Indie-Legenden in überraschendem Gewand. Beginnen wir mal damit:

Sophia Blenda: „Die Summer der Vereinzelung“, Siluh Records VÖ 11. 4. 2025

Einer der beiden Herren hinter dem feinen Label Siluh wird Anfang Mai in unserem Podcast-Studio glänzen. Der andere hat diese Platte in sein Programm genommen und das ist gut so. Sophie Löw, wie Sophia Blenda im richtigen Leben heißt, ist eine Grenzgängerin zwischen Dunkelheit und grellem Licht, eine Poetin und Aktivistin. „Es beschäftigt mich schon lange, dass weiblich gelesener und queerer Schmerz in unserer Gesellschaft so verharmlost wird. Ich will diese Geschichten erzählen, ohne irgendetwas kleinzureden. Hier wird nichts nebenbei oder am Rande verhandelt. Die Lieder geben den Geschichten den Stellenwert, den sie verdienen“, sagt sie. Die Songs wechseln von Deutsch zu Englisch, von kämpferisch zu magisch. Tolle Stimme, Coolness gepaart mit Awareness. Die zweite Solo-Platte, die es analog auf transparentem blauem Vinyl gibt, ist das Werk einer großen Künstlerin. Das Talent der Sängerin und Multi-Instrumentalistin haben wir schon geahnt, als wir sie mit ihrer Band CULK gehört haben. Aber jetzt ist es quasi amtlich. Und demnächst könnt ihr euch auch davon live überzeugen.

09.5.2025 – Wien, Radiokulturhaus
26.6.2025 – Berlin, Ausland
27.6.2025 – Zittau, Lonesome Lake Festival
28.6.2025 – Jena, Glashaus
und hoffentlich bald auch in unserer Nähe…

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Krieglstein: „Processing Hiob“, Cooks Records & Pumpkin Records VÖ 11. 4. 2025

Rainer Binder-Krieglstein hat den „Binder“ abgelegt als Teil seines Semi-Künstlernamens. Mit Krieglstein widmet er sich (unseres Wissens) erstmals zu 100 % der sogenannten E-Musik – falls man dieses Etikett heute noch verwenden will. „Processing Hiob“ ist angelehnt an Bernhard Langs Oper „Hiob“, die im Jahr 2023 in Klagenfurt uraufgeführt wurde. Langs durchaus nicht simple Cluster- und Minimal-Musik wird von Krieglstein durch den Electro-Fleischwolf gedreht und in eine technoide Club-Welt zwischen Monotonie und Ekstase transferiert. Manches davon fordert einen ziemlich. Anderes wie der fantastische Track „Küche“ lädt augenblicklich zum hemmungslosen Herumhopsen ein.

Die Originalnoten von Langs Oper wurden für „Processing Hiob“ neu arrangiert und mit Hilfe von elektronischen Tools prozessiert. Die Vielfältigkeit und Wandlungsfähigkeit des Rainer Binder-Krieglstein, der schon die Balkan-Disco auf Festivalbühnen holte, mit dem Jägerchor musizierte und FM4 mehrfach im Sturm eroberte, zeigt sich in diesem Projekt besonders deutlich. Langs Oper sei „zugänglich und kulinarisch“, meinte die NÖN nach der Premiere in Klagenfurt. Ob Ähnliches auch jemand über die ganz schön experimentelle Krieglstein-Platte sagen wird? Einen ersten Test gibt es am 10. 4. bei Styrian Sounds.
See you there! 

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Viech: „Vollmond“, VÖ 13. 4. 2025

Viech, das ist mittlerweile vielleicht die schrägste und abgedrehteste Kapelle des Landes. Oberviech Paul Plut hat auch solo neue Maßstäbe an seltsamen Geniestreichen abgeliefert in den vergangenen Jahren. Aber gemeinsam ist es bekanntlich noch lustiger. Es wird auf „Vollmond“ dem Hasenfuß gehuldigt, die Wettwerbsfähigkeit wird in der Luft zerrissen. Dann gibt es plötzlich einen minimalistischen Sommerhit in spe („Freibad“). Hätte jemand beschlossen, die legendären Trio ins Jahr 2025 und nach Österreich zu beamen, wäre wahrscheinlich so etwas in der Art herausgekommen. Und da spielt es dann auch keine Rolle, dass von allen Tieren angeblich der Mensch das traurigste ist. Weil Viech sowieso das Gegenteil beweist. Eine Platte, die Pop und Dada beim Schmusen begleitet, die laut kichert im 13A. Live genauso wie der Krieglstein und die zuletzt hier gefeierten Cousines Like Shit am 10. 4. im Grazer PPC beim Styrian Sounds.

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Catastrophe & Cure: „In The Wind“, VÖ 25. 4. 2025

Die fünf Herren haben auch schon deutlich mehr als zehn Jahre auf dem Indie-Buckel. Nach einem elektronischen Zwischenspiel sind C & C wieder zu solidem Indie-Gitarren-Rock zurückgekehrt. Die neue Platte kommt ohne fixen zeitlichen oder räumlichen Bezug aus, die Themen sind ewig gültig, die Sounds gibt es seit gut 25 Jahren, das könnte auch aus den USA herüberschwappen oder sonst woher. Aber stört das irgendjemanden? Uns sicher nicht! Und deshalb ist es auch schade, dass Catastrophe & Cure ihre Tour mit dieser wirklich schönen und lebhaften Platte ab Ende April erst mal nicht in unsere südlichen Gefilde aka Graz führt. Trotzdem oder gerade deswegen: Anhören und kaufen, wenn ihr noch immer lieber Gitarren hört als Robotermusik.

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Keyhan: „All The Feels“, Assim Records VÖ 28. 3. 2025

Die Entdeckung des Monats, wenn nicht des bisherigen Jahres! Keyhan lebt in Wien, seine familiären Wurzeln liegen im Iran. Keyhan ist queer und macht daraus genau gar kein Hehl. Im Gegenteil, seine Songs sind nicht einfach nur wunderschöne Soul-Nummern, sondern sie transportieren auch Werte und Ansichten, die Keyhan wichtig sind. Mit dem Sound und seinem enormen Glamour wird Keyhan jedenfalls noch viel von sich reden machen. Das Debut ist schon mal herausragend gut gelungen. 5 Sterne für den Shooting-Star aus der Bundeshauptstadt.

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Convertible: „Favorite Record“. Noise Appeal VÖ: April 2025

Wenn John Lennon nicht vorzeitig abgegangen wäre, sondern mit Conor Oberst auf St. Pauli eine dezent verkaterte Indie-Combo getroffen hätte, dann, ja dann, hätte der gemeinsame musikalische Abend ungefähr so geklungen, gerochen, geschmeckt. Convertible, das war und ist das Projekt von Hans Platzgumer nach dem internationalen Erfolg mit HP Zinker. Convertible hat immerhin auch schon sieben Alben vorgelegt und beweist mittlerweile eine abgeklärte Lässigkeit, die vom ersten Takt weg überzeugt. Geschmeidige kleine Pop-Juwelen wirft uns Platzgumer hin, die keine Sekunde auf den Zeitgeist schielen. Es wird vielleicht nicht auf Dauer eine Lieblingsplatte, aber in diesem Frühling gehört sie zu den erfreulichsten Erscheinungen.

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AngelA: „Ich glaub, die Milf wird schlecht“, VÖ 25. 4. 2025

Und zum Finale ein Abstecher nach Deutschland. AngelA ist Musikerin, Autorin, Schauspielerin und Host des Pop-Podcast „Grenzsaiten“. Sie hat in diversen Bands Support für Nena, Scorpions oder Udo Lindenberg gespielt. Sie ist seit mehr als zwei Jahrzehnten im Geschäft. Und weil sie nicht mehr im Pop-Start-Up-Alter ist, hat sie für ihr Soloprojekt feinen Pop mit Humor und dezenter Gesellschaftskritik gemischt. Da wird die Milf immer älter. Die Protagonistin vertrocknet in ihrem Zimmer und sucht immer noch nach dem Sinn. Die Wahlberlinerin hat mit Lars Hengmith eine frühlingshafte Platte komponiert, die zwischen scheinbar harmlosem Pop und spannenden Rhythmuswechseln angesiedelt ist. AngelA verbindet Nachdenklichkeit und Nostalgie mit Humor. Eine zarte und zugleich starke EP.

 

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