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Diagonale Blog #3: Happy ohne End

Happy. Regie: Sandeep Kumar. Spielfilm, AT 2024, 110 min

Ein erster Höhepunkt der Diagonale aus unserer Sicht. Der Inder Happy Singh (Sahidur Rahaman) ist mit seinem Freund (Adam Sandhu) nach Österreich geflüchtet. Sein Bruder Lucky ist unterwegs in einem Container qualvoll gestorben. Happy arbeitet in Wien als Zeitungsverkäufer und Zusteller und lebt mehr oder minder im Untergrund. Der Ayslbeamte Paschner (Robert Ritter) erklärt ihm in den ersten Szenen des Films, dass sein Asylverfahren abgeschlossen wurde und er nun endlich ausreisen müsse. Arbeiten darf er in der Zwischenzeit auch nicht mehr. Wie aber soll Happy das seiner Tochter Maya (Shirin Grace) erklären, die wegen der österreichischen Staatsbürgerschaft ihrer verstorbenen Mutter Bleiberecht hat und die sich so sehr einen Urlaub in Tirol wünscht?

Regisseur Sandeep Kumar will unseren Blick auf Menschen schärfen, die wir gerne ignorieren. Diejenigen, die unsere Zeitung oder unser Essen bringen, diejenigen, die den ganzen Laden hier am Laufen halten und dennoch permanent von Abschiebung bedroht sind. Sie sind nichts wert – für niemanden: Weder ihr Heimatland interessiert sich für ihr Schicksal noch das Aufnahmeland wider Willen.

Nicht nur die berührende Geschichte von Happy, seinen Leidensgenossen und seiner kleinen Tochter, ist es wert, erzählt zu werden, sondern auch die Story hinter diesem Film. Vor 12 Jahren hat Kumar mit dem Projekt begonnen, 2017 schließlich war alles startbereit, doch die Fördergelder reichten nicht. 2024 endlich gelang es doch noch, den Film zu drehen.

Den Hauptdarsteller Sahidur Rahaman fand der Regisseur in Indien. Die Schwierigkeit: Der renommierte Schauspieler musste erst einmal vier Monate lang mit einer Sprachlehrerin in Indien Deutsch lernen. Danach ging es daran, das „Goethe-Institut-Deutsch in ein Wiener-Zeitungskolporteur-Deutsch zu verwandeln“, wie Kumar im Annenhof-Kino erzählte. Ganz wichtig war dem Regisseur, dass der Film in allen Details auch in Indien als authentisch empfunden wird. Eine erste Auszeichnung in seinem Geburtsland zeigt, dass sich die Mühe gelohnt hat.

Eine Herausforderung waren aber nicht nur Visumsfragen und Arbeitsgenehmigungen, sondern auch die Dreharbeiten an sich. Happy ist zuerst mit dem Rad unterwegs, dann mit dem Mofa und als dieses nur mehr ein Schrotthaufen ist, läuft er mit seinen Essenslieferungen von Adresse zu Adresse. Der Einsatz einer Spezialkamera, Fahrten mit dem Lastenfahrrad und viele Drehs mit der Handkamera bringen den Film auf Augenhöhe des Protagonisten.

Eine der stärksten Szenen sehen wir gleich zu Beginn. Der Ayslbeamte Paschner, der mit Happy spricht, kommt erst peu á peu ins Bild. Der gleichermaßen gleichgültig wie ambivalent wirkende Robert Ritter ist hier in einer kleinen, aber ungemein wichtigen Rolle zu sehen. Der gesamte Cast agiert brillant, so auch Roland Düringer als zwielichtiger Mopedhändler mit goldenem Wienerherz und Lilian Klebow als verständnisvolle Heimleiterin von Maya.

„Happy“ ist eine bewegende Story, die in einer märchenhaften Kulisse in den Bergen abrupt endet. Mit einem „Pittu“-Spiel, das für Vater und Tochter zur zentralen Metapher für das Leben wird. Der Film läuft regulär Ende Mai in den heimischen Kinos an – und ganz ehrlich: Den dürft ihr nicht versäumen. Die im Annenhof anwesenden Stars im Publikum, namentlich Diagonale-Preisträgerin Inge Maux und Regisseur Houchang Allahyari, waren begeistert. Wir wollen es nicht übertreiben, aber „Happy“ hätten wir uns durchaus im Wettbewerb um den International Feature Film beim Academy Award (vulgo Auslandsoscar) vorstellen können.

Foto von Sandeep Kumar: Haubentaucher.at 2025

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