AL PACINO: „Sonny Boy. Mein Leben“, Piper 2024
Er ist einer der größten Schauspieler der vergangenen Jahrzehnte. Er hat wunderbare Filme gedreht. Und auch einige grottenschlechte. Al Pacino erzählt (ob allein oder mit Ghostwriter wird nicht aufgeklärt) von seiner spannenden Lebensgeschichte. Ein mühsamer Aufstieg voller Minderwertigkeitsgefühle wird Schritt für Schritt nachgezeichnet. Der Stil ist vor allem zu Beginn gewöhnungsbedürftig, aber man hat eben mit knapp 400 Seiten auch genug Zeit, sich damit anzufreunden. Wenn man kurz zuvor das neue Buch von Joachim Meyerhoff gelesen hat, fällt auf: Der Deutsche schreibt mit Verve, Humor, Selbstironie. Der Amerikaner schreibt (zumindest in der deutschen Übersetzung) sehr klassisch, manchmal etwas hölzern. Dafür gibt es bei Meyerhoff an Prominenz nur Bibi und Tina. Bei Al Pacino kommen sie alle vor. Sidney Poitier. Bob de Niro. Scorsese. Coppola!
Letztgenannter ruft an und will Pacino für den Paten als Michael Corleone verpflichten. Das Studio ist massiv dagegen, der Rest ist Filmgeschichte. Al Pacino ist letztlich genauso offen wie Meyerhoff. Er mag es überhaupt nicht, berühmt zu sein. Er hasst Dinner Parties, Gala-Abende und Talkshows. Die Selbstzweifel werden kaum weniger, auch wenn er eine Oscar-Nominierung nach der anderen bekommt. Apropos: Bei der Wahl zur „Goldenen Himbeere“ für die schlechteste Performance war Pacino noch öfter im Finale.
Irgendwann hört er mit dem Alkohol auf und gewinnt an erfrischender Klarheit, die auch dem Buch anzumerken ist. Er bekommt endlich die begehrteste Statue der Filmwelt. Er zieht nach LA und braucht für seine Verflossenen und seine Kinderschar 300.000 bis 400.000 Dollar im Monat. Das ist gar nicht so einfach, wenn man für manche Rollen nichts bekommt als einen schwitzigen Händedruck.
Er wird mit jedem Kapitel älter und schließlich wird er richtig richtig alt. Und tatsächlich: Sogar ein bisschen weise. Ein langes Leben am Theater und im Film liegt vor uns wie ein geheimes Tagebuch. Für Fans des Mannes mit dem schwer zu deutenden Blick ein echter Gewinn. Für alle anderen zumindest ein interessanter Blick hinter die Kulissen der Traum- und Alptraumwelt Hollywood. Übrigens sind allein schon die Fotos und die schöne Aufmachung die Anschaffung wert.