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herbstblog#4: Fein sein, beinander bleibn

Felix Hafner und Ensemble: „Ein Volksliederabend in Addis Abeba“

Wenn der steirische herbst in der Gegenwart „Performance“ zu einer Veranstaltung sagt, ist Toleranz gefragt. Das gilt auch für den letzten Abend des Festivals 2024. Die eine oder andere zarte Parallele zum hier nicht besonders freundlich besprochenen Stück „EMPIRE“ tut sich beim Abschluss auf.

Der entwaffnende Satz fällt nach einer Viertelstunde: „Jetzt haben wir eigentlich nichts mehr“. Zugegeben: Über die Reise in verschiedene afrikanische Länder von sechs Grazer Studenten, unter ihnen der spätere Architekt Herbert Eichholzer, ist nicht allzu viel bekannt. Was man zweifelsfrei weiß, hat Historiker Heimo Halbrainer beschrieben. Und das reicht gerade für rund 15 Minuten. Den Studis geht das Geld aus und sie veranstalten in Addis Abeba einen Volkskultur-Abend mit Musik, Gesang und Tanz. Das Programm scheint trotz eher mangelhafter Professionalität sehr gut angekommen zu sein. Die Rückreise konnte mit den Einnahmen finanziert werden.

Als das erzählt ist, greift Regisseur Felix Hafner in die Trickkiste und erfindet fröhlich das eine oder andere dazu. So wird etwa eine gewagte Rutsche in die Gegenwart gelegt und das „Aufsteirern“ auf die Bühne geholt. Es werden Bretteljause und Schnaps serviert. Man studiert mit Freiwilligen aus dem Publikum einen Volkstanz ein. So steirisch war der herbst wahrscheinlich noch nie. Klar, das bringt Lacher.

Aber wäre es nicht sinnvoller, tiefer in die Historie einzutauchen? Man hätte genauer über die handelnden Personen recherchieren und berichten können, ihr weiterer Lebensweg inklusive Widerstand gegen die Nazis und Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg wäre spannend genug. Man hätte auch das Leben im damaligen Abessinien nacherzählen können sowie die krisenhaften Jahre der Zwischenkriegszeit in Österreich. Statt dessen wird gesungen und getanzt. Und es werden Kampfparolen samt der „Internationalen“ gebrüllt. Das ist ganz unterhaltsam, fällt aber weit hinter die Kraft einer „Performance“ zurück, die der herbst auch schon mal hatte. Stichwort Schlingensief.

Der Erkenntnisgewinn eines solchen Abends ist leider gering. Aber es ist wenigstens keine Diffamierung gegenüber den realen Figuren feststellbar, wie sie Franz von Strolchen mit seinem „Empire“ hier vorgeworfen wurde. Nur fragen wir uns langsam: Wird es in absehbarer Zeit vielleicht analog zur „Cultural Appropriation“ auch Kritik an „historischer Aneignung“ geben?

Jetzt ist erst mal herbst-Pause.

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Foto: haubentaucher.at

 

 

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