Franz von Strolchen: „EMPIRE: Rooting for the Anti-Hero“, Performance
Die Geschichte hinter dem Stück dürfte zumindest Fußballinsidern mit steirischem Hintergrundwissen bekannt vorkommen: Der Grazer Sportclub, der heute in der Gebietsliga Mitte spielt und das in der legendären „Gruabn“, war in den frühen 1930er Jahren so spielstark, dass er eingeladen wurde, eine aufwändige Reise nach Java, Sumatra, Singapur und Ceylon zu unternehmen. Dieses historische Motiv, das durch Tagebücher und Spielberichte recht gut belegt ist, nimmt Regisseur Christian Winkler, der sich auch von Strolchen nennt, und macht einen Stoff daraus, der nur mehr sehr am Rande mit den tatsächlichen Ereignissen zu tun hat.
So erfindet er einen indonesischen Protagonisten (charmant und überzeugend: Marten Schmidt), dessen Urgroßvater erst als Liftboy bei Kastner & Öhler gearbeitet haben soll und dann die Reise des GSC begleiten muss. Und weil das alles eine „Doku-Fiktion“ ist, gesellen sich zu dieser erfundenen Geschichte reale Fotos und reale Namen der Spieler.
Die großartige Anna Anderluh sorgt für die Musik, begleitet von der Gamelan-Gruppe der KUG. Das Bühnenbild, die Musik, die Inszenierung, all das ist gut und schön. Wo es hingegen hapert, ist das Stück an sich. Winkler-von Strolchen lässt alles, was historisch spannend wäre, liegen und konzentriert sich lieber auf seine eigenen Vorstellungen. Ihn interessiert weder, wie überhaupt ein Straßenbahner-Verein zu dieser Gelegenheit kommt, noch beschäftigt er sich mit der offensichtlichen Geschäftemacherei von niederländischer Seite. Dass zeitgleich mit der Reise der Grazer in ihrer Heimat der Diktator Dollfuss einem Nazi-Attentat zum Opfer fällt, thematisiert er nicht. Auch nicht, dass die Spieler laut dem einen oder anderen realen Dokument wesentlich lieber in Niederländisch-Indien geblieben wären als ins krisengeschüttelte Österreich zurückzukehren.
Das vielleicht interessanteste Faktum an der Kampagne, die vor Ort rund um den Sportclub veranstaltet wurde, war die Bezeichnung als „Oostenrijk“, die für die Grazer auf Plakaten verwendet wurde. Hier wurde also der Eindruck erweckt, es sei ein Nationalteam (oder zumindest irgendeine Art einer nationalen Auswahl) unterwegs, was wohl die Vermarktungschancen und das Publikumsinteresse steigern sollte. Schade, dass Winkler darauf so gut wie gar nicht eingeht. Fußball interessiert ihn übrigens auch nicht, mehr als ein paar Resultate gibt es diesbezüglich im Stück nicht.
Statt dessen spinnt er eine Theorie, der man folgen kann oder auch nicht: Der Sportclub Straßenbahn als Instrument des weißen Imperialismus. Zu seinen Ehren werden Spiele verschoben, denn die Weißen müssen gewinnen, damit ihre Überlegenheit nicht in Frage gestellt wird. Bei aller Liebe zur Phantasie und zur künstlerischen Freiheit: Das und manche andere Darstellung könnte man durchaus als Diffamierung sehen.
Was gegen Winklers Ansatz spricht: Es waren keineswegs nur „bloßfüßige Eingeborene“, gegen die der Sportclub spielte. Die gegnerischen Mannschaften verfügten auch über britische und holländische Spieler, die bestimmt nicht daran interessiert waren, absichtlich Matches zu verlieren. Wer sich die nach wie vor zugänglichen Aufstellungen ansieht, wird nachvollziehen können, was hier gemeint ist.
Weil das alles aber so etwas wie ein Theaterstück ist, soll vor allem nicht verschwiegen werden, dass das Geschehen spätestens ab der Hälfte immer zäher wird (um nicht langweilig zu sagen). Der Applaus nach 90 Minuten ist dann auch eher verhalten als euphorisch. Eine vergebene Chance würde man das wohl im Fußball nennen…
Foto: steirischer herbst / Wolf Silveri