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Porträts des Monats: Andrea Kurtz & Uwe Gallaun

Unregelmäßig, aber doch: Der Haubentaucher bringt neue Texte von jungen Talenten. Und weil der Herausgeber kürzlich etwas mehr mit Uwe Gallaun zu tun hatte, stolperte er auch über folgende Reportage. Die hat Hannah Klug, eine Studentin der FH JOANNEUM verfasst. Und uns dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

„Es ist egal, was man macht, solange man es gerne macht“

Bis Ende Mai präsentiert der Künstler Uwe Gallaun im Restaurant Gatto im Museum im Grazer Volkskundemuseum eine vielfältige Auswahl seiner Arbeiten. Für die Vernissage fertigt er gerade einige zusätzliche Werke an. Gleichzeitig ist seine Kollegin und Freundin Andrea Kurtz damit beschäftigt, ihre Kunstprojekte für dieses Jahr zu planen. Die beiden Künstler:innen mögen einige Gemeinsamkeiten haben, aber ihre Lebensstile sind doch recht verschieden.

Künstler in der Nachtschicht

Es ist zwei Uhr nachts. Während die meisten schon schlafen, beginnt Uwe Gallaun erst seine Arbeit. Gerade noch steht er an der Theke der Kombüse, einer Bar in Graz, hält in einer Hand einen White Russian und blättert mit der anderen durch die Box voller Schallplatten, dann ist es auch schon Sperrstunde. Langsam spaziert er vom Stadtpark zu seiner Wohnung. Obwohl es schon so spät ist, möchte er heute an einem neuen Kunstwerk arbeiten. „Ich arbeite am liebsten zwischen zwei und sechs Uhr“, erzählt er, sein Zuhause bereits in Sicht. Uwe wurde im Jahr 1981 in Voitsberg geboren. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit engagiert er sich in verschiedenen Bereichen. Er managed den Social-Media-Account der Kombüse und ist Mitglied bei Cooks of Grind, einem Männerkochverein, der Kunst und Kulinarik verbindet. Zusätzlich betreibt er mit einem Kollegen das Plattenlabel Cooks Records, wo er bereits einen Sampler mit zahlreichen österreichischen Interpret:innen produzieren konnte.

Grindcore und Acrylfarbe

In seiner Wohnung angekommen, zieht er die Schuhe aus, hängt seinen Star-Wars-Schal auf den Kleiderhaken und schlüpft in schwarze Pantoffeln. Jetzt wird gearbeitet. Der Weg in sein Atelier ist nicht weit. Ein paar Schritte den Flur entlang und es offenbart sich ein kreatives Chaos. Zwei Leinwände lehnen direkt beim Eingang an der Wand. Alles ist voller Farbflecken. Wirft man jedoch einen zweiten Blick in den Raum, wirkt er wie ein klassisches Wohnzimmer. Ein blauer Tisch mit einem gelben Tuch steht in der Mitte, davor eine schwarze Ledercouch. „Ein Atelier gestaltet man nicht, ein Atelier richtet man ein, wie es bequem ist“, bemerkt Uwe und deutet gleichzeitig auf das Sofa. Dieses war einmal rot. Während des Malprozesses landeten jedoch immer wieder Farbflecken auf dem Möbelstück. So fasste der Künstler eines Tages den Entschluss, die gesamte Couch mit schwarzer Acrylfarbe anzumalen. Er erklärt: „Wichtig bei einem Atelier ist, dass man nicht aufpassen muss.“ Nachdem er seinen Laptop auf den Tisch gestellt hat, sucht Uwe nach passender Musik für seine Arbeit. “Sonst ist ja fad, wenn man nichts hört”, bemerkt er mit einem Lächeln und entscheidet sich prompt für das Lied “Spit” von Mantar. Während die meisten Menschen durch Musikgenres wie Sludge Metal oder Grindcore einen kraftvollen Energieschub erleben, nutzt Uwe sie als Hintergrundgeräusch beim Malen.

Hinter den Kulissen

Heute möchte er zwei Werke für seine Vernissage am 3. Februar 2024 im Restaurant Gatto im Museum fertigstellen. Dort werden nicht nur ältere Bilder von ihm präsentiert, sondern auch speziell für diesen Anlass geschaffene Arbeiten. Die Ideenfindung für seine Kunst ist immer unterschiedlich. Dieses Mal nutzt er Google und schaut sich ein paar Bilder der Location an. Die steinerne Wand, die zum Museum hinaufführt, wird zu seinem Ausgangspunkt. Diese soll die Grundlage für seine zwei Werke darstellen. „Es heißt ja Gatto im Museum. Vielleicht mach ich sonst einfach etwas mit Katzen. Gefällt jedem“, scherzt er und greift nach zwei Acrylfarben. Die Auswahl der Farben ist willkürlich. Dabei erinnert er sich gerne an die Worte seiner früheren Lehrerin: „Es gibt keine Farben, die nicht zusammenpassen.“ Schnell malt er eine hellblaue und eine rosa Hälfte auf beide Leinwände. Eine Skizze zu dem Kunstwerk hat er im Kopf. Wenn etwas nicht seinen Vorstellungen entspricht, bleibt er gelassen und adaptiert kurzerhand. „Wenn etwas schlecht aussieht, muss man einfach sagen, dass es Absicht war“, sagt er ironisch und greift zu einer violetten Acrylfarbe. Rollen, Pinsel, Tusche und Sprays – alles kommt zum Einsatz. Für ihn ist nur wichtig, dass er seinem Stil treu bleibt. Das Bild soll ein typischer „Gallaun“ werden.

Unkonventionelle Qualitätssicherung

Seine Bilder entfalten ihre Wirkung einzeln anders als in einer Serie. Uwe will mit seinen Kunstwerken Geschichten erzählen. Je länger man seine Arbeiten betrachtet, desto mehr Details sieht man. „Ich möchte so etwas machen, dass die Bilder nicht langweilig werden“, erzählt er. Als Fußballfan hat er beispielsweise in seinem Bild „Meister Gerhard“ die Siege des Vereins FC Köln eingebaut. Uwe ist sich bewusst, dass nicht jeder seine Kunst nachvollziehen kann. Seine Qualitätssicherung ist auch ein wenig unkonventionell: Betrunken das fertige Bild betrachten und nichts mehr ändern wollen. Ob er das ernst gemeint hat, bleibt unklar. Er betont jedoch, dass er niemals ein Bild verkaufen würde, das ihm nicht gefällt. “Wenn es scheiße ist, spannt man halt die Leinwand ab und schmeißt es weg”, kommentiert er locker.

Mittlerweile ist es bereits vier Uhr morgens, und Uwe beendet seine Malerei für heute. Erschöpft freut er sich darauf, ins Bett zu gehen. Morgen hat er einige Termine, insbesondere, da er den Social-Media-Auftritt der Kombüse übernimmt. Hierbei nutzt er gerne lustige Illustrationen, die er mit einem KI-Bild-Generator erstellt. Schnell tippt er die Worte „Vier Pandas, die Neujahr feiern“ in den Generator ein und fertig ist der Instagram-Post. Es war eine kreative Nacht, doch nun sehnt er sich nach Ruhe.

Zur selben Zeit steht seine Freundin und Künstlerkollegin Andrea Kurtz auf.

Die Kunst der Unterscheidung

Andrea Kurtz wurde im Jahr 1986 in Rijeka, Kroatien, geboren. Sie ist freischaffende Künstlerin, Illustratorin und vor allem eines: Frühaufsteherin. Der Drang, in ihr Atelier zu gehen, ist zu groß, um lange zu schlafen. Draußen ist es noch dunkel, als sie ihre Wohnung in der Nähe des Lendplatzes verlässt. Anders als bei ihren Illustrationen, die sie bequem von zuhause aus erstellt, fertigt sie ihre Kunstwerke in der Rösselmühle an. „Wenn ich in der Rösselmühle arbeite, habe ich das Gefühl, ich gehe zur Arbeit. Zuhause ist das anders”, gesteht sie und macht ihre Winterjacke zu. Andrea scherzt: „Es ist immer auch eine Überwindung, vor allem, da es zuhause schön warm ist.“ Künstlerisch ist Andrea ein Workaholic. Sie geht gerne an ihre Grenzen, bis sie die Beschäftigung satthat. Drei Monate war sie aus diesem Grund nicht mehr in ihrem Atelier. „Irgendwann war ich körperlich am Ende und konnte einfach nicht mehr hineingehen“, gesteht sie, freut sich aber gleichzeitig auf neue Projekte. In der Zwischenzeit hat sie an Illustrationen gearbeitet, erst vor kurzem für die ÖBB. Nach dieser kleinen Pause ist es nun an der Zeit, zur Kunst zurückzukehren. „Ich würde gerne mit der Kunst genauso viel machen wie mit den Illustrationen“, gesteht sie. Ihr fällt es schwer, sich auf zwei Bereiche gleichzeitig zu konzentrieren. „Da weiß ich dann oft gar nicht, wo mir der Kopf steht.“ Dennoch gibt es zwischen den beiden Berufen für sie klare Unterschiede. „Ich trenne Illustration und Kunst“, erklärt sie. Illustrationen lösen für sie Probleme, während Kunst ein Fenster zur Seele ist.

Chancen und Herausforderungen

Es ist 20 Minuten nach vier Uhr. Andrea steht vor einem Supermarkt, bereit für ihr Frühstück. Der Blick durch die große gläserne Eingangstür offenbart jedoch ein dunkles Geschäft. Verdutzt lacht sie. “Wenn ich im Arbeitsmodus bin, bin ich einfach sehr vergesslich”, gesteht sie und setzt ihren Weg fort, dieses Mal in Richtung ihres Ateliers. Während ihrer Arbeit verliert sie ohnehin ihr Hungergefühl. Selbst Mittagspausen fallen dem manchmal zum Opfer. „Wenn ich in diesem Modus bin, habe ich einfach keinen Hunger”, erklärt sie.

Die Künstlerin steht vor einer großen Entscheidung. Eine Ausstellungshalle hat angefragt, ob sie ihre Werke dort präsentieren möchte. Sie mag die Vorstellung, ihre Kunst einem breiteren Publikum zu zeigen. Aber sie ist auch verunsichert. „Man macht sich selbst auch immer großen Druck“, gesteht Andrea. Die Entscheidung zwischen der Chance, ihre Werke öffentlich zu zeigen, und dem erforderlichen Einsatz von Zeit und Hingabe bereitet ihr Sorgen. Im Jahr 2024 möchte sie außerdem ihre Illustrationsserie „Do It Yourself“ fortsetzen. Das Projekt konzentriert sich auf den weiblichen Orgasmus und die Selbstbefriedigung – Themen, die in der Gesellschaft oftmals Tabu sind. „Es ist die Aufgabe des Kunstschaffenden zu provozieren und Themen anzusprechen“, betont sie.

„Shaping Emotions“

Das Atelier von Andrea befindet sich im dritten Stockwerk der Rösselmühle. Aufzug gibt es keinen. Beim Betreten fallen sofort ihre Werke ins Auge, die prachtvoll an der Wand hängen. Der Anblick ihrer Kunst inspiriert sie weiterzuarbeiten. Das trägt nicht nur dazu bei, dass sie sich in ihrem kreativen Raum wohlfühlt, sondern beeinflusst auch maßgeblich den Spaß an ihrer Arbeit. „Es ist egal, was man macht, solange man es gerne macht“.

Sie setzt ihre Kopfhörer auf und schaltet klassische Musik ein. Sie beginnt zwar meist mit Klassik, endet jedoch oftmals mit Punk. Andrea ist vielseitig, nicht nur in ihrem Musikgeschmack, sondern auch bei den Materialien. Die Künstlerin setzt auf Werkstoffe wie Zement, Eierschalen und Schaum. Heute will sie ein Werk aus Seil schaffen und damit ihre Serie Shaping Emotions fortsetzen. Für die Materialien hat sie selten einen vordefinierten Plan. Andrea lässt sich von dem inspirieren, was sie gerade interessant findet. „Ich bin eher im Baumarkt als beim Kaspar Harnisch“, gesteht sie lachend. Zusätzlich holt sie sich regelmäßig Materialien im Atelier ihres Freundes in Trieben. Bevor sie beginnt, überlegt sie genau, was sie mit ihrem Kunstwerk ausdrücken möchte. Andrea betont: „Ich will nicht nur Bilder schaffen, sondern auch Diskussionen auslösen.“ Sie legt das Seil auf den Betonboden ihres Ateliers, setzt sich davor und überlegt. „Ich schaue einfach, was man mit dem Material zeigen kann“, erzählt sie. Welche Farben sie heute verwendet, weiß sie noch nicht. Früher arbeitete sie viel mit Schwarz, jetzt bevorzugt sie bunte Farben. Obwohl sie der Öffentlichkeit gerne mehr Hintergrundinformationen zu ihren Werken preisgeben würde, arbeitet sie ohne Skizzen. „Oft denke ich mir, dass es vielleicht auch einfach besser ist, Dinge unerklärt zu lassen“, reflektiert die Künstlerin und betont damit ihre Absicht, Raum für Interpretation zu lassen.

Einsamkeit und Freundschaft

Inmitten ihres kreativen Prozesses legt Andrea Wert darauf, einen externen Blick auf ihre Werke einzuholen. „Es bringt so viel, sich über diese Dinge mit anderen zu unterhalten”, betont sie. Andrea holt sich regelmäßig die Meinung ihres Künstlerkollegiums ein. „Man muss nicht alles persönlich nehmen”, teilt sie. Obwohl sie die Natur ihrer Arbeit oftmals als recht einsam empfindet, zieht sie es vor, allein zu arbeiten.

Selbst in der Zusammenarbeit mit ihrem guten Freund Uwe Gallaun stellte sich heraus, dass ihre Stile zu unterschiedlich sind, um gemeinsam ein Kunstwerk zu schaffen. Dennoch verbringen die beiden gerne Zeit miteinander. „Mit ihm könnte ich mir vorstellen, gemeinsam ein Atelier zu haben”, verrät sie.

Nach etlichen Arbeitsstunden ist es zwanzig Uhr. Andrea hat sich selbst versprochen, um diese Zeit nachhause zu gehen, auch wenn sie gerne noch weiterarbeiten würde. „Die geilsten Ideen passieren, wenn man seinem Gehirn kurz Luft lässt“, erklärt sie auf dem Weg Richtung Lendplatz. Cirka 15 Minuten braucht sie zurück in ihre Wohnung. „Manchmal hätte ich schon gerne ein Atelier in der Wohnung“, verrät sie. Mit der Gewissheit, dass morgen ein neuer Tag ist, zählt Andrea geradezu die Minuten bis zum Arbeitsbeginn und zwingt sich, schlafen zu gehen.

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Reportage: Hannah Klug (JPR22)
Foto: Kurtz & Gallaun

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