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Buch des Monats Romane

Roman des Monats

Marie-Luise Wolff: “Die Unbeirrbare. Das abenteuerliche Leben der Mme Clicquot”, Edition W 2022

An diesem Buch ist manches ungewöhnlich. Erstens: Der Verlag. Noch kein Jahr alt, gegründet und geleitet von drei Männern, die mehr Bücher von (vorwiegend) Frauen publizieren wollen.

Zweitens: Die Autorin. Marie-Luise Wolff ist zwar studierte Anglistin und Musikwissenschafterin, hat aber in der Industrie (u.a. bei SONY und in der Energiewirtschaft) Karriere gemacht. Im tendenziell links der Mitte beheimateten Verlag Westend erschien 2020 “Die Anbetung”, eine Auseinandersetzung mit der Digitalisierung, die wir hier ziemlich kritisch besprochen haben.

Und nun ein Roman über eine der ersten und vor allem eine der prägendensten französischen Unternehmerinnen. Nicole Clicquot, geborene Ponsardin, baut gemeinsam mit ihrem Mann ein Champagnerhaus auf, dessen Namen auch heute noch strahlt. Ihr Mann verstirbt freilich bald und so wird aus Nicole die “Veuve Clicquot”, die Witwe, die neue Freiheiten für sich entdeckt, erst einmal aber durch manches Tal der Tränen und Sorgen muss.

Marie-Luise Wolff begnügt sich nicht mit einer mehr oder minder nüchternen Schilderung eines ohnehin dramatischen Lebens, sie holt weit aus in ihrem Roman. Das beginnt bei den turbulenten Jahren vor und während der Revolution und erstreckt sich über alle Siege und Niederlagen Napoleons. So ist das Buch auch nicht 200 Seiten schlank, sondern mit 350 Seiten echte Feiertagslektüre. Der Stil versucht sich der Zeit anzupassen, langweilig wird es einem dabei nie, auch wenn man das Ende erahnt. Was allerdings schön gewesen wäre: Ein paar Quellenangaben oder andere Erklärungen zu Literatur und Recherche. Auch wenn das Buch das Etikett Roman trägt, so wird doch aus einem (fiktiven?) Tagebuch der Nicole Clicquot zitiert, andere Schilderungen erinnern den boshaften Rezensenten an Stellen aus Wikipedia.

Das alles tut der Grandezza der Protagonistin keinen Abbruch und so entsteht ein spannendes und auch soziologisch interessantes Werk. Dass es verwitweten Frauen als einzigen möglich war, in jener Zeit mehr oder minder eigenständig Geschäfte zu führen, dürfte historisch stimmig sein. Und wer mit dem Leben und Denken von Napoleon nicht ohnehin schon sehr vertraut ist, nimmt auch einiges an Erkenntnissen mit. Gerade in einer Phase wie der jetzigen, die uns als so krisenhaft erscheint, ist es erhellend zu lesen, wie viele Soldaten bei den Feldzügen des Korsen ihr Leben lassen mussten, welche kleinen und großen Sorgen die Menschen am Übergang zwischen 18. und 19. Jahrhundert belasteten.

Eines macht das Buch übrigens auch und das passt gut zur Jahreszeit: Lust auf eine Flasche edlen Champagners…

 

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