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Tonträger des Monats Juli / Ö

OLIVER WELTER & CLARA FRÜHSTÜCK: “Winterreise”, col legno VÖ 10. Juni 2022

Die Pianistin und Klang-Performerin und der legendäre Indie-Musiker aus Klagenfurt machen sich im Duo über Schuberts und Müllers Winterreise her. Könnte man meinen, in Wahrheit aber ist das eine ebenso originelle wie respektvolle Neuinterpretation des Liederzyklus. Initiiert wurde das Experiment von Radiomann Fritz Ostermayer, der für die Presseunterlagen entsprechende Lobeshymnen sang, nein verfasste – und dabei tiefe Wahrheiten wie diese aus dem Ärmel schüttelte: “sowohl Welter als auch Frühstück sind enorme Melancholie-Verstärker”. Yes! Und das ist in den 20 Liedern Stück für Stück zu erleben. Zu Welters Gesang und Frühstücks Klavier gesellt sich eine ebenso leidgeplagte E-Gitarre. Da hagelt es “Gefrorene Tränen”, “Einsamkeit” und “Täuschung”. Die Platte hat das Format der oft genug weltbewegenden Kooperationen von Nick Cave. Ist dabei aber noch ein schönes Stück überraschender. Eine frostige Winterreise im brüllend heißen Hochsommer? Immer schön antizyklisch bleiben, meine Lieben. Im kommenden Winter suchen wir euch dann heim – und wenn dieses düstere Meisterwerk nicht in eurer Sammlung glänzt, gehen wir wortlos nach Hause. Übrigens kleiner Spoiler: Frühstück und Welter werden in einigen Wochen hier auf diesem kleinen Portal noch eine Rolle spielen. Inzwischen besorgt euch bitte diese wundervolle Platte.

Pressefoto: Ingo Pertramer

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DER NINO AUS WIEN: “Eis Zeit”, CD/Vinyl/Digital Medienmanufaktur Wien : 24. Juni.2022

Wir bleiben in der Kälte. Den Nino muss man in Österreich (und Deutschland) niemandem mehr vorstellen. Er ist ein Poet mit viel Wiener Herz und noch mehr Schmäh. Die zwölf Songs, darunter ein paar potenzielle Indie-Schlager, werden in den Presseunterlagen so skizziert: “Geschrieben in Simmering, Favoriten und dazwischen. Diesmal keines in Hirschstetten oder Triest. Alle Lieder während der COVID 19-Pandemie entstanden. Als Live-Geister-Konzert in Oslip/Uzlop aufgenommen.”

Erwähnenswert ist auch, dass Nino Mandl wieder in voller Besetzung unterwegs ist: Raphael Sas (E-Gitarre, Gesang), pauT (Bass, Klavier, Orgel, Synthesizer, Gesang), David Wukitsevits (Schlagzeug, Gesang) und Hans Euler (Gitarre). Der Sound ist schön retro irgendwo zwischen Danzer und der klassischen englischen Pop-Schule. Aber: Auch wenn ein Song “Strawberry Dream” heißt, der Nino bleibt im deutschen Sprachraum und thematisch steht die Liiiiieeeeebeee im Vordergrund. Daneben gibt es verschiedenartige Socken, schlaflose Nächte und einen deprimierenden Montag. Sehr fesch!

Brav unterwegs ist er auch der “Dylan vom Praterstern”
(© Falter):

9. Juli 2022 Kino Utopia Wasserburg
10. Juli 2022 E-Werk Freiburg
13. Juli 2022 Posthof Linz
28.Juli 2022 Cinema Paradiso
4. August 2022 Songtage Böbling
5. August 2022 Kultursommer Bühne Purkersdorf
21. August 2022 Praterbühne Wien

 

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FEDERSPIEL: “Albedo”, o-tone music, VÖ 1. Juli 2022

Eleganz, höchste Professionalität und dazu eine erstaunliche Leichtigkeit. Das ist die neue Scheibe von Federspiel. Der Titel Albedo steht für das Rückstrahlvermögen von nicht selbst leuchtenden Oberflächen. Je heller der Körper ist, desto mehr einfallendes Licht wird reflektiert. Nicht grämen, wenn ihr das nicht gewusst habt, wir haben es auch nur auf der (sehr schön gestalteten!) Website der Band gelesen. Jedenfalls: Federspiel sind sieben Herren, mit diversen Blasinstrumenten ausgestattet. Gegründet 2004, hat die Truppe bereits Locations wie die Elphi in Hamburg, die Uni in Stanford oder das Vancouver Island Music Festival bereichert. Irgendwo zwischen klassischer Blasmusik und allerlei Experimenten ist die Band angesiedelt, die man sogar Blaskapelle nennen darf (wenn man will). Es gibt Walzer, (echte!) Volksmusik und am Ende ein Gute-Nacht-Lied. “Albedo” ist ein Werk voller Licht und Schatten, es ist eine Platte für Menschen mit Stil und Offenheit. Kultiviert und cool! Live demnächst in unserer Gegend:

8. Juli Gstaad Menuhin Festival Ticket & Info
18. 
August Kultursommer Semmering Ticket & Info
20. 
August Festival St. Gallen Ticket & Info
25. 
August Hartberg ClariArte Ticket & Info

Reinhören und -schauen!

 

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koloman: “Das Jahr, das nicht war”, Pumpkin Records VÖ 3. 6. 2022

koloman ist ein Quintett aus der Umgebung von Steyr. Ihre Debutplatte mischt Deutsch, Englisch und Umgangssprache. Die acht Songs bringen klassisches Songwriting, Balladen, aber auch angenehm aufregende Songs wie “Tyranny of Entropy” oder die vertonte Verschwörungstheoriekritik “Control”. Das Ergebnis: Liegt irgendwo zwischen Handwerk, Kunst und Kunsthandwerk.

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DAS SCHOTTISCHE PRINZIP: “Jolly”, Bader Molden Recordings VÖ 10. 6. 2022

Die vier Wienerinnen Julia Reißner (Voc/Git), Viktoria Mezovsky (Git), Jana Mitrovic (Bass) und Petra Fraißl (Drums) sind “das Schottische Prinzip”. Die Band ist noch recht neu “im Geschäft” und fällt gleich ordentlich auf sowie aus dem Rahmen. Musikalische Brillanz mischt sich mit bitterem Humor und das alles in gehobenem Tempo. Da wird ein Boss Nova auf Hochgeschwindigkeit gepitcht, dazwischen gibt es reduzierte Songs, die sich bald als hinterfotzig und poetisch zugleich erweisen. Mal schaut die schillernde Knef um die Ecke, dann wieder ein kritischer Geist aus den wilden 1970ern. Songs dürfen Titel tragen wie: “Dialektisches Gewinnen”. Das Label beschreibt das treffend: “Das Schottische Prinzip ist ungefähr das, was dabei herausgekommen wäre, hätten Nico, Wolf Biermann und Nina Hagen eine Band miteinander gegründet, hätten eine lange Bildungskarenz im London der späten 70er-Jahre eingeschoben und wären nach längerem Hin und Her gleichermaßen desillusioniert wie inspiriert in Wien aufgetaucht.” Und Herausgeber Ernst Molden sieht das Album als eine der “Platten fürs Leben” und kommentiert den Release so: “Was dieses Quartett um Poetin, Sängerin und Multiinstrumentalistin Julia Reißner auf seinem Debut aufführt, hat die Kraft, die Kunst und die Entschlossenheit, jede einzelne Hörerin, jeden einzelnen Hörer dauerhaft zu verändern.” Genug zitiert. Die Platte galoppiert durch unser Musikzimmer seit Tagen ungebremst und mit stetig wachsender Begeisterung unsererseits. Die Platte ist, das sagen wir hier klar und deutlich: Ein “Muss-Haben”! Live am 23. Juli auf der Wiener Donauinsel.

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CHRISTINE JOSEPHINE: “Selfish”, Pumpkin Records VÖ Juni 2022

Christine Hoffelner, die als Autorin unter ihrem “bürgerlichen Namen” auftritt, sich als Musikerin aber Christine Josephine nennt, legt mit “Selfish” eine CD vor, die sanft und doch entschlossen wirkt, die sich um die Freiheit dreht und wie schwierig sie doch zu erlangen ist. Sie spielt Handpan, Gitarre, Synthies und sie singt. Begleitet wird sie von Pauline Corette mit Stimme und Viola da Gamba sowie Peter Reck an der Trompete. Es ist ein Album, das zwischen ruhig und schräg oszilliert, das immer genau dann überrascht, wenn man glaubt, das Konzept von “Selfish” verstanden zu haben.

 

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