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Buch des Monats Künstler/innen Musik Sachbücher

Musikbuch des Monats August

Juliane Streich (Hg.) (2022): “These Girls, too. Feministische Musikgeschichten”. Ventil Verlag

Rezension von Susanne Sackl-Sharif

„Denn Feminismus bedeutet Gleichberechtigung, Diversität und Teilhabe für jede:n!“ (S. 12) – Diesen Ausruf formuliert Juliane Streich, Herausgeberin des Sammelbands „These Girls, too. Feministische Musikgeschichten“, am Ende ihre Intros zu 108 Kurzporträts über Musikerinnen*, Bands und musikalischen Aktivistinnen*. Insbesondere das Thema Diversität zieht sich wie ein Motto durch die Kurzgeschichten, die einzelne Songs oder spannende biographische Notizen ins Zentrum stellen.

Diese Vielfalt zeigt sich in den Herkunftsländern der ausgewählten Musikerinnen*. Neben Künstlerinnen* aus den USA, Großbritannien und Deutschland werden beispielsweise auch Künstlerinnen* aus Japan (Jun Togawa), Italien (Gianna Nannini), Jamaika (Kofee, Tanya Stephens, Grace Jones, Phyllis Dillon), Brasilien (Astrud Gilberto, Tuca), Sambia (Sampa the Great) oder der Ukraine (Alyona Alyona) vorgestellt. Darüber hinaus ist das Buch geprägt von einer großen Genre-Vielfalt, die auch Gospel (Sister Rosetta Tharpe), Chanson (Juliette Gréco), Country (Dolly Parton), Samba/Bossa Nova (Astrud Gilberto), Metal (Doro Pesch, Sabina Classen) oder Eurodance (Loona) umfasst. Neben zahlreichen Solo-Künstlerinnen* bzw. -Sängerinnen* werden außerdem All-Female*-Bands und -Kollektive wie Dives, Pussy Riot, Shampoo oder Cobra Killer porträtiert. Auffallend ist außerdem, dass sich viele Musikerinnen* in unterschiedlichen künstlerischen Bereichen engagieren. So ist etwa die Vokalkünstlerin* Meredith Monk nicht nur als Sängerin* und Komponistin*, sondern auch als Tänzerin*, Filmemacherin* und Choreographin* aktiv. Barbara Morgenstern ist als Sängerin*, Keyboarderin*, Chorleiterin*, Komponistin* und Musikproduzentin* tätig.

Obwohl die Auswahl der Geschichten oftmals auf persönlichen Vorlieben oder Erlebnissen der Autor:innen beruht, lassen sich darin dennoch auch Querverbindungen zur (feministischen) Musikgeschichte im Generellen ziehen. In der Zeitspanne der 1920er bis 1950er Jahre werden hauptsächlich Sängerinnen* diskutiert, die als Solo-Künstlerinnen* ohne musikalische Ausbildung berühmt wurden, was für diese Zeit auch für Männer* wie Elvis Presley typisch war. Die Mehrzahl der Sängerinnen* stammt aus den USA und ihre Biographien sind geprägt von gesellschaftlichem Aufstieg, der über die Tätigkeit als Künstlerin* gelungen ist. In den 1960er und 1970er Jahren werden viele Musikerinnen* vorgestellt, die mit sozialen Bewegungen der Zeit verbunden waren. Der Song „I Am Woman“ (1972) von Helen Reddy galt als inoffizielle Hymne des Second-Wave-Feminismus, June Tyson setzte sich für die afrofuturistische Idee ein und Jayne Cortez war Aktivistin* in der Bürger:innenrechtsbewegung in den USA. Die Auswahl an Musikerinnen* der 1980er und 1990er Jahre ist geprägt von einer Genrevielfalt, umfasst aber auch Pop-Ikonen wie Whitney Houston, Britney Spears oder die Comicfigur Lisa Marie Simpson, die es als Teil der Popculture im weitesten Sinne ebenfalls in den Sammelband geschafft hat. Die 2000er und 2010er beinhalten einerseits hauptsächlich Künstlerinnen*, die als Rapperinnen* ihre politischen Botschaften zum Ausdruck bringen, andererseits aber auch Menschen aus der Queer Community, wie etwa die Drag Queen Strawberry KaeyK oder die Sängerin*, Songwriterin* und Produzentin* Marie Ulven Ringheim (Girl in Red), die in Norwegen zur queeren Ikone stilisiert wurde.

Der Sammelband trägt zu Recht den Untertitel „feministische Musikgeschichten“ und kann dem intersektionalen Feminismus zugeordnet werden, da neben der Ungleichheitskategorie Geschlecht, etwa auch Ethnizität, sexuelle Orientierung, Klasse oder Ausbildung (professionelle Ausbildung vs. autodidaktes Erlernen eines Instruments) sowie unterschiedliche soziale Bewegungen und politische Anliegen berücksichtigt werden. Das Buch kann für interessierte Neueinsteiger:innen empfohlen werden, da es einen guten Überblick über interessante, feministische Musikerinnen* und musikalische Aktivistinnen* im Zeitverlauf gibt. Gleichzeitig bietet es aber auch, insbesondere aufgrund der Genrevielfalt, die Möglichkeit für Neuentdeckungen.

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Auch interessant: Das erste Buch der Reihe.
Juliane Streich (Hg.) (2019). These Girls. Ein Streifzug durch die feministische Musikgeschichte. Ventil Verlag.

 

 

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