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Tonträger des Monats Juni / Ö

HECKSPOILER: “Tokyo Drift”, Noise Appeal Records VÖ 10. Juni 2022

WUMMS!!! Die beiden Heckspoilers aus der oberösterreichischen Provinz fetzen sich durch die Musikgeschichte, bringen tonnenschwere Gitarren mit Hochgeschwindigkeitstexten in Einklang. Die Presseunterlage vergleicht das mit Queens of the Stone Age plus Bilderbuch. Das mag für genau eine Nummer stimmen: “Maurice”, ok klar, das ist naheliegend und eher eine zweideutige Hommage. Aber sonst würden wir eher sagen: Leute, googelt mal Scorn und Mick Harris. Und das mischt ihr mit einer ziemlich aufgeregten Männerstimme, die über Neid und Angst, den fixen Willen, nicht mehr zu saufen und E-Bikes “singt”. Das ganze hat dermaßen viel Speed und wütende Wahrheit in sich, dass man das auch dann lieben wird, wenn man sonst nicht auf Was-auch-immer-Punk-Metal steht. Und weil das so verdammt gut funktioniert, empfehlen wir euch auch sehr nachdrücklich folgende Live-Termine zum Rumhüpfen und Mitbrüllen:

15.06 WIEN B72
16.06 SALZBURG Rockhouse
17.06 GRAZ p.p.c
18.06 LINZ Stadtwerkstatt
22.07 STOCKENBOI Woodstockenboi Festival
23.07 KIRCHDORF Rock im Dorf Festival
29.07 SCHWARZACH Tauerngold Festival

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CLER & GRÄTZLORCHESTER: „wos was i“, VÖ 3. Juni 2022

„Menschenskinder, Recht muaß Recht bleibn, he ganz ehrlich: I kunnt eich anspeibn.“

Die gute” Laune von den Heckspoilern nehmen wir mit. Das Tempo aber nehmen wir erst mal raus. Der Grätzlorchester orientiert sich nicht an glühendem Metall, sondern eher an heimischen Großmeistern wie Ludwig Hirsch, dem kürzlich verstorbenen Willi Resetarits oder dem Herrn Ernst Molden.

Aber da wird nichts kopiert, da wird nicht nachgespielt, sondern vorgelebt. Florian Sighartner und Carles Muñoz Camarero spielen Geige und Cello, Emily Steward werkt an der Bratsche. Jakob Mayr und Marc Osterer (Parov Stelar) hört man an Posaune und Trompete. Florian Fuss bläst die Querflöte. Die Liedermacher- oder Singer-Songwriter-Sounds der oben erwähnten Herrschaften werden immer wieder erweitert durch Big Band Feeling und Filmmusik. Es geht um Privilegien und Meinungsumfragen, um Ohnmachtsgefühle, das Menschärgerdichnicht-Spielen, das Kartentippeln und die Frage, warum man eigentlich noch immer weitermacht. “Geh, gib ma no an Ober!” Ein stilvolles Album zwischen Grant und Grandezza, zwischen Grätzl und Krätzn.

Album-Präsi: 25. Juni, Wien, Kulturcafe Max

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JIGSAW BEGGARS: “Ain’t my time for war”, Pumpkin Records VÖ 29. 4. 2022

Der ungemein umtriebige Gabriel Schmidt (siehe auch weiter unten) und seine Freunde von den Jigsaw Beggars haben eine Platte herausgebracht, deren Titel prophetisch klingt. Der Sound geht in Richtung Indie-Rock-Historie, mit einem Abstecher hin zum Country, aber auch zum Krautrock, das bestreiten die Beggars auch gar nicht. Auf einer anderen Ebene ist die Platte voller Querverweise zum Film “Apocalypse Now”, generell arbeitet die Grazer Band alles auf, das ihr in den vergangenen zwei Jahren an die Nieren gegangen ist. Und dann gibt es Kracher wie “Ten”, ein Lied, das es sich verdient hätte, auf allen Indie-Stationen in die Heavy Rotation zu kommen.

“Ain’t my time” ist auch das, was man gemeinhin ein Konzeptalbum nennt, die Songs nehmen aufeinander Bezug und in den einzelnen Texten gibt es repetitive Elemente. Es ist ein wunderbares Album, das sich ausgezeichnet in deiner Sammlung machen wird, lieber Musik-Fan da draußen.

PS: Jetzt wo der erste Stress mit den Platten-Präsis vorbei ist, könnte man mal die Website aktualisieren.

Live gibt es die Jigsaw Beggars am 17. Juli beim Elevate Festival in Graz.

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WOLFGANG HOFFELNER: „so weit wie jetzt“, VÖ Mai 2022

Gitarrist Wolfgang Hoffelner aus Wildon hat auf seiner neuen Platte gleich 16 Songs parat. Im berührenden Duett mit seiner Tochter, solo und zuweilen auch instrumental werden Geschichten aus dem Leben hier und jetzt erzählt. Von der Liebe und vom Abschiednehmen. Klingt unspektakulär?

Was soll daran schlecht sein? Spektakel macht man eh anderswo genug. 

“Take it easy”. Der Musiker, der auch Klanginstallationen gestaltet, schafft es, dich mit ein paar Klängen an der Gitarre in ferne Gegenden zu entführen. Eine Platte für Sommerabende am Lagerfeuer. Und in ein paar Monaten dann: Winterabende am Kamin. Denn die Halbwertszeit liegt deutlich über den hektischen Produktionen aus dem Formatradio. Anspieltipp: “Change your life”.

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VAN MOJO AND THE PONYSTRESS ENSEMBLE: “Soundtrack Of A Freak Year”, LP/digital, Post Office Records Mai 2022

“Graz, I love you but you‘re bringing me down.”

Fiep, fiep, schrammel, schrammel. Die erste Solo-Platte von Ober-Postler Gabriel Schmidt testet mal ab, wie wir so drauf sind. Halten wir ein bissl Noise aus? Sind wir Fans der Retro-Bewegung? Wie reagieren wir, wenn plötzlich transzendentale Sounds von Klaviermelodien gefolgt werden? Das ganze könnte man als Spielerei abtun, das Cover der Promo-LP deutet das ja auch an. Aber: Da steht ziemlich viel Talent und guter Geschmack im Raum. Herrliche ranzige E-Gitarre und seltsame Synthies treffen auf eine Stimme, die durch die gesamte britische Pop-Schule gegangen scheint. Kaum glaubt man, die Platte erfasst zu haben, passiert schon wieder etwas Unerwartetes. Kleinod, verdammtes! Speziell empfohlen für alle Fans von ambivalenten Größen der Nische wie Daniel Johnston oder auf heimischer Ebene: Ratrock Tot Sint Jans. Der süßen Stadt Graz hat der Mojo übrigens den Rücken gekehrt. Sein Abschiedsworte stehen ganz oben bei dieser kleinen Besprechung.

Live demnächst hier zu erleben:

09.06.2022 CAFE WOLF, GRAZ
24.06.2022 CAFÉ MAX, WIEN

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RELATED TWO: “Before the Finish Line”, EP VÖ 23. 3. 22

Die beiden Schwestern Clara und Caroline Loibersbeck aus Wien spielen seit frühester Kindheit miteinander. Naheliegend eigentlich. Ihre Songs bauen auf zwei Stimmen, Klavier und Kontrabass auf. Als Inspiration geben sie Ladies wie Joni Mitchell, Ella Fitzgerald, aber auch Wallis Bird an. Und so passt es dann doch wieder sehr gut, dass die EP leider etwas bei uns abgelegen ist. Weil: Die großartige Wallis hat jetzt ja auch wieder was Neues.

Related Two” (guter Bandname!) zeigen mit der EP ihr großes Talent, ihr Gefühl für Stil. Es ist ein Tonträger, der in Windeseile die Genres Jazz, Soul und Pop wechseln kann. Immer bezaubernd: Die Stimmen. Und ein grandioses Klavier. Mal probehören?

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