„Linda“ von Penelope Skinner
im Schauspielhaus Graz
Linda ist Mitte 50 und sie ist „Senior Brand Strategist“ in einem Kosmetikunternehmen. Vor Jahren hat sie deswegen Marketingpreise gewonnen und sie redet sich seither ein, sie habe das Leben von Mädchen zum Besseren gewendet. Bei den eigenen Kindern ist ihr das – zumindest vorläufig – noch nicht wirklich gelungen. Die eine Tochter hadert mit einem Vorsprechen am Theater und bekommt dabei kaum Unterstützung. Die andere hat ganz offensichtlich ein gravierendes Problem und versteckt sich entweder in ihrem Zimmer oder in ihrem Stinktier-Overall. Lindas Mann ist auch keine große Hilfe. Er versucht, seine Midlife-Crisis mit Rockmusik und mit der attraktiven Sängerin seiner Band in den Griff zu bekommen.
Linda hat aber nicht nur daheim Sorgen und Nöte. Vor allem ist sie dabei, aus dem Berufsleben zu verschwinden. Sie hat eine Kampagne für die Frau ab 50 entworfen. Doch ihre junge Kollegin hat – zumindest nach Meinung des CEO – eine weit bessere Vermarktungsidee. Linda (sehr überzeugend: Beatrix Doderer) kämpft wie eine Löwin im pastelligen Business-Outfit um ihre Rolle im Unternehmen, um ihre Ehe, um die eigene Sichtbarkeit.
Intendantin Iris Laufenberg hatte zu Beginn angekündigt, das hier werde ein unterhaltsames Stück, das uns vom Schrecken der Gegenwart ablenken könnte. Das motiviert vor allem im ersten Drittel nicht wenige zu Heiterkeit, die allerdings bald deutlich nachlässt. Das Stück ist nämlich keine leichte Komödie, sondern eher ein Drama zwischen Tiefgang und dem einen oder anderen Klischee. Letztlich etwas unentschieden zieht sich die Handlung über gut 2 Stunden 30. Die – sehr berechtigte! – Message hätten wir auch nach einer Stunde schon verstanden.
Eine bezeichnende Szene im Zuschauerraum: Hinter uns lacht ein junger Mann, der sich gleich darauf bei seiner Begleitung dafür entschuldigt. Denn auf der Bühne ging es gerade um Cyber-Mobbing mit Nacktfotos, das Lindas Tochter erleiden musste. Wahrlich nichts zum Lachen, wie so einiges andere auch im Stück. Am Ende repariert sich einiges in Lindas Leben, anderes geht für immer zu Bruch. Linda muss das Unternehmen verlassen, ihre Zukunft ist ungewiss. Der Versuch, sichtbar zu werden, ist gelungen – allerdings sicherlich nicht so, wie sich das die Protagonistin vorgestellt hat.
Als klare Pluspunkte des Abends sind neben Beatrix Doderer und ihrem Ehemann Neil (Franz Solar) auch die beiden Mädchen (Daria von Loewenich und Iman Tekle) zu nennen. Und die Inszenierung. Mit Hilfe der Drehbühne im Schauspielhaus wechseln wir in rascher Abfolge von der Wohnung der Familie zum Büro und weiter zum Probekeller der Band. Ach ja, die Musiker Gerry Landschbauer und Bernhard Neumaier darf man auch herausstreichen. Und: Das Stück leuchtet sowohl die Abgründe der Marketing-Welt als auch die düsteren Facetten der Pubertät sehr klar aus.
Und was bedeutet das nun? „Linda“ ist ein wichtiges Stück mit Stärken und Schwächen. Dem älteren Herrn vor uns, den man auch aus der Zeitung kennt, hat es offenbar kaum gefallen. Er klatscht nur, als Franz Solar an der Reihe ist. Die Hauptdarstellerin bleibt unbedankt. Vielleicht ist das sogar ein gutes Zeichen. Denn Leute wie er sind gemeint. Und das tut natürlich ein bisschen weh.
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Regie Dominique Schnizer Bühne und Kostüme Christin Treunert Musik Bernhard Neumaier Dramaturgie Karla Mäder
Mit Beatrix Doderer, Natalja Joselewitsch, Gerry Landschbauer, Daria von Loewenich, Sarah Sophia Meyer, Bernhard Neumaier, Franz Solar, Iman Tekle, Lukas Walcher, Franz Xaver Zach
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PREMIERE am 11. März, weitere geplante* Vorstellungen am 19., 23. und 24. März sowie am 2., 6., 8., 13. und 28. April jeweils um 19:30 Uhr, am 20. März um 15:00 Uhr, HAUS EINS, Infos & Tickets: schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com/
* bitte verfolgt allfällige Terminabsagen vor dem Weg ins Theater. Der Covidl lässt immer wieder Vorstellungen ausfallen….
Foto: Schauspielhaus / Lex Karelly