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Tonträger des Monats Jänner 2022 / INT.

CAT POWER: “Covers”, Domino Records VÖ 14. 1. 2022

“I open my eyes. I had a dream, Joe!” Das Jahr beginnt gut, sehr gut sogar. Nämlich mit einem frischen Album der großen Charlyn “Chan” Marie Marshall aka Cat Power. Und damit es nicht zu “neu” wird dieses Jahr, hat sie sich Songs u.a. von Frank Ocean, Bob Seger, Lana Del Rey, Jackson Browne, Iggy Pop, The Pogues, Nick Cave und The Replacements vorgenommen. Und eine überarbeitete Version ihres Songs Hate vom sehr superen Album The Greatest (2006) gibt es obendrein – aus aktuellem Anlass übrigens in Unhate umbenannt. So wie immer ist die Coolness und gleichzeitig die enorme Intensität und Emotionalität fesselnd. In einer Zeit, in der es so viele verwechselbare Stimmen gibt, ist Cat Power ein funkelnder Diamant am Nachthimmel, mehr unique geht nicht. Das Album wurde zur Gänze von ihr produziert und ist nicht zuletzt auch deswegen ein Pflichtkauf für alle Fans – und deren gibt es hier sicher reichlich. 12 Songs, die euch in der kalten Zeit Wärme einhauchen werden, liebe Leute. Und verehrte Mrs. Power, alles Gute übrigens zum runden Geburtstag im Jänner!

Foto Cat Power: © Mario Sorrenti

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BAND OF HORSES: “Things Are Great”, Huger Lewis And the Dudes, Inc. under exclusive license to BMG, VÖ verschoben auf 4. 3. 2022

Seattle hatten wir hier schon länger nicht mehr. Und eine neue Platte der Pferdefreunde ist definitiv schon überfällig gewesen. Die zehn Songs pendeln wunderbar zwischen der rauen Indie-Haltung von einst und einer irgendwie sehr friedlichen, freundlichen Atmo. Und das ohne Kitsch, ohne überflüssige Pop-Ambitionen. Die Horses handeln von “Hard Times”, aber halt auch davon, wie es ist, wenn jemand nett zu einem ist. Eine wirklich charmante Platte, die derzeit in den einen oder anderen Indie-Charts gerade mit der Single “Crush” durchstartet. Melancholisch und ein bisschen abgeklärt. Weil: Zorn haben wir da draußen momentan eh genug. Und falls diesmal keiner der Songs in einer TV-Serie landet, werden es die Herren Ben Bridwell, Mat Brooke, Creighton Barrett, Rob Hampton und Joe Arnone auch aushalten. Übrigens: wenn alles klappt, startet ab 22. 2. eine Tour, die idealerweise am 18. 3. auch nach Wien in die Arena führt. Wir drücken die Daumen!

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BOY HARSHER: “The Runner” (Original Soundtrack), City Slang / Nude Club VÖ 21. 1. 2022

Das Duo Boy Harsher ist nicht gerade auf der sonnigen Seite des Pop-Planeten angesiedelt, so viel ist klar. Dark Wave, das ist eines der Schlagworte, das Jae Matthews und Augustus Muller wohl öfter über ihre Arbeit gelesen haben. Lustiger ist es in letzter Zeit auch nicht geworden. Bei Matthews wurde MS diagnostiziert, touren konnte man sowieso nicht wegen dem Covidl, also: Haben sich die beiden an einen Kurzfilm gemacht, der zeitgleich mit dem Album erscheint. Der Trailer schaut mal ziemlich nach David Lynch aus, wie die Geschichte weitergeht, wird man 2022 dann wohl irgendwann im Netz sehen. Die 8 Songs jedenfalls sind feinste Ware für Menschen, die Pop mit düsterem Beigeschmack lieben.

Hier ein erster Einblick in den Film:

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KREIDLER: “Spells And Daubs”, Buerau B VÖ 28. 1. 2022

Falls ihr überhaupt schon so reif an Jahren seid: Wisst ihr noch, was ihr 1994 gemacht habt? Kreidler, Quartett aus Düsseldorf, weiß es ganz genau: Das erste Mal live gespielt. Seitdem ist das nur geringfügig umformierte Gespann immer dran geblieben. Gut, es gab ein paar längere Pausen, aber in den fast dreißig Jahren erschienen regelmäßig Platten – und zwar nicht die schlechtesten. Diese hier ist – so sagt der Pressetext zu Recht – wie eine Sammlung von zehn Kurzgeschichten. Der typische Kreidler-Sound, der schon irgendwie an die Krautrock-Ära erinnert, das ganze aber auch mit britischen Trance-Techno-Dance-Was-weiß-ich-Einflüssen mischt, ist staubtrocken bis verspielt und lädt dazu ein, mal das maximale Volumen der Anlage auszutesten. In einer Zeit, wo ein Song angeblich nur mehr unter 2 Minuten Länge aufweisen darf, spielen Kreidler natürlich weiterhin unbeirrt das doppelte Format. Schmeicheln müssen sie ja niemandem mehr. Eine hypnotische Scheibe. Geil hätte man früher gesagt. Mit drei Rufzeichen.

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CARAMBOLAGE: “Carambolage” (1980), “Eilzustellung-Exprés” (1982) und “Bon Voyage” (bislang verschollen), Tapete Records VÖ 21. 1. 2022

Es gibt verrückte Musiker*innen, durchgeknallte Bands und dann gibt es Plattenlabels wie Tapete Records aus dem schönen Hamburg. Die Damen und Herren machen Platten seit genau 20 Jahren und schön langsam machen sie auch wirklich genau nur mehr das, wonach ihnen der Sinn steht. Manches, wie PeterLicht, wird sich vermutlich besser verkaufen. Manches weniger. Aber Marketing-Überlegungen scheinen da eher nachrangig. Viel eher wird die Tapete langsam zu einem faszinierenden Pop-Museum, zuletzt mit Veröffentlichungen von The Wirtschaftswunder und Bärchen und die Milchbubis, beides hier besprochen. Im Gegensatz zu diesen zwei Bands kannten wir Carambolage bislang gar nicht, Schande über uns.

Dabei war das Trio Britta Neander, Elfie-Esther Steitz und Angie Olbrich so ziemlich die erste reine Frauen-Band im New-Wave-/NDW-Kosmos. Die drei sind hörbar beeinflusst von Ton Steine Scherben, eine gewisse Verwandtschaft zu Nina Hagen könnte man auch ableiten. Nur: Jede Anwandlung von Kommerz ging bei Carambolage in einem wilden Punk-Gestus unter. Und nun kommt die Tapete ins Spiel: Gleich drei der frühen Platten werden neu aufgelegt, “Bon Voyage” erscheint überhaupt erstmals auf Tonträger, schließlich geriet sich das Trio bei der Produktion damals gehörig in die Haare, was zu einem zwischenzeitlichen Abbruch der Beziehungen führte. Eine Re-Union ist leider ausgeschlossen, Britta Neander ist 2004 verstorben. Die drei Scheiben erinnern an sie und an eine turbulente Aufbruchstimmung, die irgendwann im Pop-Sumpf versank. Musikgeschichte für Profis!

Foto © Jim Rakete (!)

 

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