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Buch des Monats Sachbücher

Medienbuch des Monats

“Transformation der Medien – Medien der Transformation. Verhandlungen des Netzwerks Kritische Kommunikationswissenschaft”,
Westend Verlag 2021.
Herausgegeben von Nils S. Borchers, Selma Güney, Uwe Krüger & Kerem Schamberger

Gesellschaftliche TRANSFORMATION – und was Medien damit zu tun haben. Von Gudrun Reimerth

Das knapp 500 Seiten starke Buch „Transformation der Medien – Medien der Transformation“, im Verlag Westend Wissenschaft erschienen, ist ein richtiger Ziegel. Was das äußere Format betrifft, sowieso. Aber auch inhaltlich stellt dieser Sammelband ein Schwergewicht dar.

Der Untertitel „Verhandlungen des Netzwerks Kritische Kommunikationswissenschaft“ verortet die insgesamt 21 Beiträge dieses Sammelbandes fachlich und politisch: Thema ist der gesellschaftliche Wandel, gefordert wie beobachtet, an dem Medien sowohl als Akteure wie als Betroffene teilhaben. Die Autorinnen und Autoren gehen, wie es sich im Wissenschaftsdiskurs gehört, ins Detail, eröffnen mit ihren Studien Einblicke in die Tiefe von Besonderem und schaffen miteinander in der Fülle aller Beiträge eine Aussage, die aufrüttelt. Wir alle, ob Medienschaffende oder Konsumentinnen und Konsumenten, sind aufgefordert an dem mitzuarbeiten, was nötig ist: einer umfassenden gesellschaftlichen Transformation.

Die Mechanismen dahinter und die Blockaden gegen diese umfassende gesellschaftliche Transformation werden im Werk umfassend beleuchtet. Die Titel der vier Teile, in die Nils S. Borchers, Selma Güney, Uwe Krüger und Kerem Schamberger als Herausgeber die Beiträge ihrer Kolleginnen und Kollegen gruppieren, tragen dem entsprechend alle das Wort des Titels weiter: Es geht im ersten Teil um „Medien-Transformation in der DDR und in Ostdeutschland“, im zweiten um „Digitale Transformation in der neoliberalen Globalisierung“, im dritten um „Kommunikation für eine sozial-ökologische Transformation“ und im vierten um „Visionen für transformative Kommunikationsverhältnisse“. Inhaltlich spannen die vier Teile den Bogen von der Beschreibung dessen, was ist, bzw. seit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 geworden ist, bis hin zur prospektiven Skizze neuer transformativer Möglichkeiten eines partizipativen Mediensystems.

Die Themen der Beiträge reichen von Transparenzforschung im Journalismus über den möglichen Beitrag der Public Relations zur gesellschaftlichen Transformation bis hin zur Filmförderung als Transformationsbremse. Transformation bedeutet dabei zweierlei: Einmal bezeichnet dieser Begriff den grundlegenden Wandlungsprozess, in dem sich Medien spätestens seit den 90er Jahren befinden, Digitalisierung und Globalisierung seien hier als Treiber genannt, zweitens – und noch eindrücklicher – wird Transformation hier in einem weiteren Sinn verwendet, nämlich als neue „Große Transformation“ hin zu einer nachhaltig wirtschaftenden und sozial gerechten Weltgesellschaft. Allesamt sind die Autorinnen und Autoren überzeugt, dass eine solche tiefgreifende Umgestaltung „im Angesicht von Klima- und Ölkrise, exorbitanten sozioökonomischen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sowie Diskriminierungen in Sachen class, race und gender nicht nur wünschenswert, sondern dringend notwendig“ erscheint (vgl. Einleitung der Hg., S.10).

Der Begriff „Große Transformation“ wird heute als sozial-ökologische Transformation angesichts der multiplen Krisendiskurse verstanden. Neben der Klimakrise leben wir mitten in einer Wirtschaftskrise bzw. aufeinanderfolgenden Wirtschaftskrisen, in einer Krise der Demokratie, der Arbeitswelt und in einer dauernden Medienkrise.

Der große Verdienst des vorliegenden Sammelbandes ist es, die Rolle der Medien sowohl in der Entwicklung dieser Krisen wie auch in der Lösung auszuloten. Die Autorinnen und Autoren diagnostizieren scharfsinnig und wissenschaftlich unvoreingenommen. Sie analysieren das Große und Ganze unter dem Vorzeichen wirklich umfassender Transformationen auf politischer, technologischer und moralischer Ebene. Sie tun das mit dem Blick auf das Kleine, was Kommunikationsverhältnisse, Medienlandschaften und Öffentlichkeitsstrukturen betrifft. Die Leserinnen und Leser können in ein Spezialthema eintauchen mit dem Wissen, dass sie z.B. die „Analyse medialer Anerkennungsstrukturen von Mutterschaft und Care-Arbeit“ (Beitrag von Natalie Berner) oder die Auslotung der „Potenziale und Risiken ungehorsamer Ästhetik in der Kommunikation sozialer Bewegungen“ (Beitrag von Melanie Malczok) oder auch die Frage „Wo steht der deutschsprachige Nachhaltigkeitsjournalismus? Ein Überblick“ (Betrag von Torsten Schäfer und Stella Lorenz) jeweils näher zum Verständnis der Notwendigkeit der „Großen Transformation“ bringt. Im Kleinen wie im Großen plädieren die Autorinnen und Autoren dafür, die Verantwortung für den notwendigen Wandel ernst zu nehmen. Und die Verantwortung sehen sie in den Kommunikations- und Medienwissenschaften ebenso wie bei den Medienschaffenden, den Medien und den dafür politisch Verantwortlichen.

Die Beiträge dieses Bandes beziehen sich auf spezifisch Deutschland betreffende Ereignisse und Gegebenheiten. Die Analyse und Interpretation gehen aber mit globalem und gesamtgesellschaftlichen Anspruch weit darüber hinaus – und sind auch für österreichische Gegebenheiten durchaus aussagekräftig.

Rezension & Foto: Gudrun Reimerth

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Hinweis: Das Buch ist auch Open Access digital erhältlich.
Mehr dazu unter:

Transformation der Medien – Medien der Transformation

 

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