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Tonträger des Monats April 2021 / AT

DRAMAS: “Dramas”, Fabrique Records VÖ 9. 4. 2021

“…wenn die Dramas so weiter machen, werden sie den Sprung über die Grenzen des deutschsprachigen Raums schneller schaffen, als wir ‘raus aus der Komfortzone’ sagen können”, schrieb der prophetische Haubentaucher im November 2018.

Und haben wir Recht gehabt? Ja, irgendwie schon, aber vielleicht nicht ganz so wie gedacht. Zumindest die eine oder andere Nummer wurde europaweit gespielt und getourt sind Viktoria Winter und Mario Wienerroither auch ausgiebig. Und wie dramatisch ist die neue Platte? Sehr. Also im Sinne von: Sehr sehr hip. “Candy” hast du sicher schon gehört, die anderen 9 Songs haben aber auch allesamt internationale Klasse. Und das Schöne: all das kommt so stilvoll daher, so undramatisch. Eine scheinbar unschuldige Stimme, Synthie, Electro, Dance, die Bestandteile klingen gar nicht so aufregend, aber die Mischung macht’s. Ein verdammt gutes Album.

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KÖHDER: “Köhder”, Cooks Records VÖ 24. 4. 2021

Florian Köhler schaut schneidig aus, ist erfolgreicher Schauspieler und Musik machen kann er auch. Saumäßig unsympathisch eigentlich, aber so schlimm ist es gar nicht. Weil: Selbstironie ist ihm nicht fremd und die Platte ist nicht glatt gebügelt, sondern angenehm aus der Zeit gefallen. So heißt es etwa im Pressekonvolut: “für vinyl nicht cool genug. für spotify zu dumm. wir erinnern uns im köhder-kollektiv an das highgefühl am libro-cd-wühltisch. all unsere einflüsse entspringen diesem wühltisch.”

Man darf das eigentlich gar nicht straffrei sagen, aber seit Morak hat kein heimischer Schauspieler mehr so eine Platte gemacht. (wir wissen, wie es bei dem weitergegangen ist). Egal: Köhder solltet ihr euch zulegen, wenn ihr auf deutschsprachige Texte und verzerrte Gitarren aus den späten 1970ern steht, wenn euch das heutige Pop-Getue auf den Geist geht. Schön, dass es so was gibt.

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DESOLAT: „Songs of Love in the Age of Anarchy”, 12´´ Vinyl picture disc & digital, Bloodshed666 Records

Ein fieses, brutales und böses Biest aus Sludge, Doom und Metal haben die Anarchopunks Desolat veröffentlicht. Dieser zähnefletschende Kettenhund zerreißt alles, was er in sein Maul bekommt und zeigt in fünf Tracks trotzdem, wie viel Liebe, Leidenschaft und Anarchie dieser Köter in sich trägt. Die Band aus Wien überzeugt in „Songs of Love in the Age of Anarchy“ durch Eigenständigkeit und qualitativ guten Sound, der sich international nicht verstecken braucht. METAL (in den entsprechenden Stilen wie Heavy, Speed, Trash, Death oder Doom) ist ja in den letzten Jahren zu einem immer wieder dieselben Gitarrenriffs zitierendem Genre verkommen. Da kommen Desolat gerade recht, die grundsätzlich zwar nichts Neues bieten, aber immerhin nicht nach Einheitsbrei klingen. In knackigen 21 Minuten gibt es hier Mid-tempo (Doom/Death) Metal im düster-groovigen Sound mit schneidigen Riffs und auffallend guten Scream-Vocals.

Richtig gut klingen Desolat, wenn die druckvollen Gitarren in zerlegte Melodien ausbrechen, das Intro von „The Bureaucrat“ dir ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert oder die Abschlussnummer „Dreams of slaughtered yuppies under starlit night skies“ von Minute zu Minute musikalisch wächst (grower!). Vielleicht würde der eine oder andere „blast beat“ den Songs noch guttun und den Hund endgültig von der Kette lassen. Wir freuen uns auf weitere Veröffentlichungen (wieder auf Bloodshed666 Records, die kontinuierlich gute Platten releasen und D.I.Y mit Herz (-schmerz) und Anarchie leben) und beuteln inzwischen unsere Köpfe zu dieser Platte. Weiter so!

Rezension: aL

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TARE: “Fat Bird Don’t Fly”, Pumpkin Records VÖ März 2021

Viel weiß man noch nicht über Tare. Silvia Wohlgemuth, Philip Daniel, Bernd Heinrauch und der Drumcomputer Alesis SR16 haben auf der neuen Pumpkin-Platte mitgewirkt. Mastermind hinter Tare ist Klaus Wohlgemuth aus Gnas, den man von heimischen Partien wie den Fragments of an Empire, der Tiger Family oder Spring and The Land kennt. Wer mehr wissen will: Der geschätzte Kollege con:fused hatte ihn in seiner Radiosendung auf Helsinki zu Gast.
Im Interview erzählt er einiges über die Faszination, die das Kino auf ihn ausübt und das hört man durchaus auch auf “Fat Bird”. Nicht nur, dass eine Nummer Buster Keaton gewidmet ist, auch der Sound an sich ist getragen und streckenweise cineastisch. Vor allem aber enthält die Platte gut abgehangenen, leicht angestaubten Rock, reduziert im Tempo, maximale Wirkung.Wie halt der übergewichtige Vogel nicht fliegt, so hebt auch dieses Album nicht ab, sondern legt sich erst mal gemütlich auf den Plattenteller. Wo man es dann aber gar nicht mehr gern wieder entfernt nach den 12 Songs. Sehr überlegt (uns fällt kein besseres Wort dafür ein) – und: sehr lässig in jeder Hinsicht. Im Plattenregal ruhig zwischen den Ratrock und den Son of The Velvet Rat stellen. Aber zuerst kaufen!

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ARON & GLOWING EYES: „Gestrandet am Ufer der Glückseligkeit“, VÖ 30. 4. 2021

Jetzt kommen Aron Tompa, Milan Cobanovic, Andreas Gatermayer, Florian Schwarzenbacher und Julian Höckner. Das Wiener Quintett hat in Patrick Pulsinger einen prominenten Partner gefunden, der dieses Debutalbum produziert hat. Und man darf sagen: Das hier ist exakt das Gegenteil zu Tare. Hier gibts nur ein Gas und das ist Vollgas. Pop, ein wild gewordenes Sax, Drum’n’Bass, Rap, deutsche Texte, Electro-Schnipsel, all das mündet in eine musikalische Achterbahnfahrt. Soll live sehr sehr gut sein, hört sich aber auch im eigenen Wohnzimmer nach großer Party an. Aber: Mit dem Bewusstsein, dass das Yolo-Prinzip halt auch nicht funktioniert. Eine wirklich fetzige Angelegenheit, die über die Grenzen Österreichs funktionieren könnte. “Mach dich frei!”, das klingt nach einer Hymne, die auch anderswo funktionieren könnte. Selten war Kritik an den bestehenden Verhältnissen so tanzbar. Geile Sache!

 

 

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