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Musik

Tonträger des Monats November / international

LAURA GIBSON: “Goners”, City Slang Oktober 2018

Die Frau fängt an zu singen und es zieht einem nach 2 Sekunden die Gänsehaut über den Rücken. Aber Laura Gibson hat nicht nur eine Wahnsinnsstimme, sie geht auch souverän mit Instrumenten und Loop-Machines um. Für ihr fünftes Studio-Album hat sie sich dennoch nicht auf ihre eigenen Skills allein gestützt, sondern mit Musikern gearbeitet, die man von so unbedeutenden Bands wie “Death Cab for Cutie” oder den “Decemberists” kennt.

Es ist eine perfekte November-Platte, denn das “gone” im Titel heißt: Abschied nehmen, Trauer spüren, mit ihr umgehen lernen. Es ist eine Platte, die einen nicht mehr loslässt, wenn man sie einmal zu hören begonnen hat. Unser Anlagetipp: Wenn du nur mehr das Geld für ein einziges Album hast für den Rest dieses Jahres, dann investiere es in Laura Gibson. “I don’t want your voice to move me”, singt sie im letzten Lied auf der Platte und das genaue Gegenteil haben wir empfunden.

Bitte weitermoven und zwar am besten hier (live mit Dan Mangan!)

7.11. Berlin, Festsaal Kreuzberg
8.11. Hamburg, Mojo
11.11. Köln, Gebäude 9 
22.11. Wien, Blue Bird Festival, Porgy & Bess
23.11. Dornbirn, Conrad Sohm
JAAKO EINO KALEVI: “Out of touch”, Domino Records 2018
Oh, das kommt jetzt aber doch ein wenig überraschend. Jaako Eino Kalevi macht nicht etwa depressiv-aggressiven Finnen-Rock, sondern opulenten Pop. Luftig, verträumt, verspielt. Aber viel weniger schräg als man sich das vielleicht angesichts der Herkunft erwarten würde. Ob da seine Wahlheimat Berlin eine große Rolle gespielt hat? Auch das ist nicht sicher. Denn der Mann, der vor seiner Musikerkarriere als Straßenbahnfahrer sein Geld verdiente, ist und bleibt ein Rätsel. 

Wenn er nicht gerade an einem Solo-Track schraubt, macht er balearisch angehauchte Sounds mit seinem Kumpel Long-Sam. Seine Videos sind so cheesy, dass es fast schon schmerzt. Interviews gibt er hingegen kaum und wenn dann ist er einsilbiger als Matti Nykänen. Unzählige EPs hat er bereits produziert, “Out of touch” ist seine fünfte Solo-Platte. Sie erinnert an die 70er und 80er, ganz konkret an Leute wie Nik Kershaw, wie die TAZ richtigerweise feststellte. Also eigentlich Musik, die man niemals wieder hören wollte. Und die trotzdem irgendwie super ist.

AMADINDA SOUND SYSTEM: “the black pearl tapes vol. 1”, Seayou Records September 2018 
Moooment! Da war doch die Rede von Uganda und dann tanzt da ein Kerl im Rapid-Trikot durch die Gegend? Ja, so ist das auf der Welt, es läuft schon wieder nicht, wie Herbert Kickl das will. Aber ganz von vorne. Amadinda, das ist ein ugandisches Xylophon, das einen typischen Sound erzeugt, von dem wir nur laienhaft daherschwafeln könnten. Also besser anhören. Das dazu gehörige Soundsystem entstand unter starker Mitwirkung der österreichischen Musiker und Produzenten Barča Baxant und Wolfgang Schlögl, den man auch als I-Wolf kennt. In Uganda trafen sie auf Kollegen aus der traditionellen Musikszene sowie der Dance- und Hip Hop Community. In wenigen Tagen wurde ein Programm erarbeitet, ein Festival-Auftritt gecheckt und es wurden acht erstklassige Songs aufgenommen. Darauf zu hören sind etliche Instrumente, die für die Gegend charakteristisch sind. Cool daran: Diese Kooperation läuft auf Augenhöhe, man merkt das Interesse und zugleich den Einfluss von Baxant und Schlögl. Die Amadinda trifft Adungu, eine Art Harfe, ein Lamellophon namens Mbira wird gespielt und Trommeln, Flöten, aber auch jede Menge knusprige Beats sorgen für eine Platte, die richtig fetzt. Das kommt zwar auch im Video mit dem Typen im Rapid-Trikot durch, noch besser aber im folgenden Song. “Future Africa Pt. 1”, wer das gehört und gesehen hat, wird mit uns d’accord gehen: Große Klasse. Und das beste Rezept gegen frühwinterlichen Trübsinn (und morbus Kickl). PS: Wer mehr über das Projekt erfahren will, ist hier richtig.

NEON SATURDAYS: “Freaks In The Ocean” Solid Sounds, VÖ: 9.11.
Schönes Kontrastprogramm ist das wieder hier. Denn nach dem Engels-Pop aus Finnland und den Bässen und Trommeln aus Uganda, kommt jetzt so was wie alternativer Stadionrock aus Lettland. Ja, richtig gehört, die Neon Saturdays kommen aus Sigulda, einer Stadt mit knapp 12.000 Einwohnern in einer Gegend, die man auch “Lettische Schweiz” nennt (sagt Wikipedia zumindest). 
Und sonst? Die Neon Saturdays finden 30 Seconds to Mars gut, sagen sie auf ihrer Facebook-Page und die Foo Fighters mögen sie auch. Zu hören ist aber auch ein gut gebügelter Großflächen-Poprock, der seine Lektion von U2 bis zu Brit-Pop gelernt hat. Da hatten aber auch einige Herren ihre Finger im Spiel, die wissen, wie man so etwas voll okay und zugleich international radiotauglich hinbekommt. Produziert hat die “Freaks” nämlich Lewis Gardiner (Ellie Goulding), aufgenommen wurde das Album mit Andy Baldwin (u. a. bekannt durch die Zusammenarbeit mit Oasis). Auch wenn die Platte weitgehend ohne Tiefgang daherkommt, so macht sie doch gute Laune und man kann beim nächsten Musik-Quiz punkten. Wer kennt schon eine lettische Band, die das Potenzial hat, auch in UK zu reüssieren.
  
LORAIN: “Through frames”, self released / CD Baby Oktober 2018
Erik Emanuelson und seine Frau, die Sängerin Robin, sind Lorain. Zu zweit wandern sie durch die Americana-Tradition. Durch das Tobacco Valley immer die Landstraße hinunter.Dort treffen sie den Rest der Gang, namentlich Bob Reynolds, Joseph Anderson und Mitch Gonzales. 
Man mag das Folk nennen oder “rural sound for modern life” wie das Vortex Magazine, jedenfalls ist die erste “Lange” von Lorain ein konzentriertes Werk, das bewusst auf Reduktion setzt. Die Stimme steht im Zentrum des Geschehens, die Stimmung ist dennoch eine cineastische. Aber halt in gedeckten Farben, vielleicht sepia, vielleicht sogar komplett in schwarzweiß. Klassisch, stilvoll statt stylish. Als Inspirationsquellen nennt Lorain denn auch die großen Meister des Storytelling wie Raymond Carver, Edward Hopper oder Jason Molina.

Feine Sache, bitte nicht allzu viel quatschen, wenn die demnächst in Österreich aufspielen:

09.11. Lendhafen Cafe | Klagenfurt (AT)
10.11. Neruda | Wien (AT)
11.11. Böllerbauer | Haag (AT)
KALEB STEWART: “Tropical Depression”, Sounds of Subterrania! Oktober 2018
Das Cover ist Geschmackssache, die Platte hingegen ist unzweifelhaft eine wunderbar erfrischende Angelegenheit. Geradliniger Gitarrensound, stellenweise gar nicht weit von Alternative Country. “Ein Singer-Songwriter Album für die Hardcore Kids der 90er Jahre” sagt der Pressetext und das durchaus mit Recht. 
Diese Platte schmeckt nach Bier, riecht nach Rucksack, keine Spur von Tropen und erst recht keine von Depression. Politische Diskussionen finden in Kalebs Welt nicht auf CNN statt, sondern an der Bar im Beisl. Wo früher punkiger Haudrauf war, kommt Kaleb jetzt differenzierter, wenn man so will, abgeklärter daher. Es ist eine Platte, die so ruhig in der Tonalität ist, dass man sie gerne etwas lauter hören darf. 
 

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