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Ereignis des Monats

Altes Testament – Aus dem Tagebuch der Menschheit. Regie: Volker Hesse.
Schauspielhaus Graz

Tagebücher sind ja oft eine Aneinanderreihung von ziemlich langweiligen Ereignissen, durch die man sich als geheimer Leser bis zu einem tiefen Geheimnis durcharbeiten muss. Ereignisreich ist auch die Inszenierung der Bibel nach Luther, in der uns Regisseur Volker Hesse gemeinsam mit 13 Schauspielerinnen und Schauspielern und 5 Musikern die Chronologie des Alten Testaments näherbringt. Langweilig wird es dabei allerdings nicht.

Auf der umgebauten Bühne sitzen Zuschauer mitten am Set, sie sind Teil der Inszenierung, Statisten ihres eigenen Schicksals. Wie im echten Leben. Der Determinismus ist Programm. So steht es in der Bibel, denn Gott befiehlt und schon baut Noah eine Arche, gründet Abraham, großartig Gerhard Balluch, mit Söhnen Isaac und Ismael mehrere Völker. Bemerkenswert, dass hier alle weit über hundert Jahre alt werden. Und auffallend, dass Frauen hauptsächlich erwähnt werden, wenn sie unfruchtbar sind oder gebären.

Hesse spannt gekonnt den Bogen vom Sündenfall über die Sintflut bis hin zum Turmbau zu Babel. Der Zuschauer findet sich im Sprachgewirr wieder, wohnt der vermeintlichen Opferung Isaacs bei und wird Zeuge der Flucht aus Ägypten. Moses, gespielt von der unvergleichlichen Julia Gräfner, stottert sich vor den Pharao und bis nach Kanaan, unterstützt von Werner Stenger als Aaron. Projektionen kleiden Zuschauerraum und Bühne in einen surrealen Raum, in dem sich die ersten paar tausend Jahre der Menschheit aneinanderreihen wie die Namen der Völker, die aus den Nachkommen Noahs und Abrahams hervorgehen. Nach zwei Stunden ist kurz Pause, zurück im Bühnenraum zieht das Partyvolk von Sodom und Gomorrha über den Laufsteg. Auf Ausschweifung folgt Erkenntnis. Florian Köhler / König David als Rockstar und Anna Szandner / Hiob als Geprüfter, dessen Treue zu Gott auf die Probe gestellt wird, führen schließlich zum Schluss: Nur die Liebe überdauert die Zeit. Und mit etwas verwirrenden Versen endet ein langer und unterhaltsamer Theaterabend.
Pflichttermin: am 12., 13., 14., 15. und 16. Juni 2018, Dauer 3 Stunden, 1 Pause
Infos unter www.schauspielhaus-graz.com/



Kritik von Gastautorin Die Haubentaucherin

Foto: Altes Testament Ensemble © Lupi Spuma 2018

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