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Musik

Tonträger des Monats Juni / Ö

BINDER & KRIEGLSTEIN: „Trommeln der Nacht“, Cooks Records 2018

Rainer Binder-Krieglstein ist so etwas wie die gute Seele der Grazer Musikszene, auch wenn er zwischendurch auffällig häufig in Wien anzutreffen war. Er war schon dabei, als im SKA auf dunkel gebürstete Herrschaften wie Christian „Fetish“ Fuchs ihre ersten Schritte machten. Später gab es Tanzmusik mit Balkan-Einschlag und noch einmal später die schräge Ehe zwischen Jägerchor und Drums. Immer wieder fiel er auch über die Grenzen hinaus mit seinen Sounds auf, das große Geschäft um die Aufmerksamkeit haben aber andere gemacht.

War ihm offenbar auch ein bisschen egal, denn lieber als dem Blick retour widmete er sich bereits wieder neuen Projekten. Konstant geblieben ist hingegen ein gewisser, sehr entspannter, urbaner Style und: Die Liebe zum Fahrrad. Die „Trommeln der Nacht“ sind so gesehen konsequent und trotzdem kommen sie daher wie ein knappes Dutzend Ü-Eier.

Süß, verführerisch und immer was zum Spielen dabei. Aber natürlich auch hinterfotzig wie der hübsche Arschlecker-Song „Wurst“ mit dem großen Louie Austen als Gast. Und den Indie-Hit in spe „Stadtrad“ sollte man der hiesigen Lokal-Politik als Single-Auskopplung überreichen. Prädikat: Yeah!

GRANADA: „Ge bitte“, Karmarama 2018

Auch das ist Graz (und ein bisschen Südsteiermark). Der Mann, den sie Effi nannten, und der als Ricardo Ritalini auch mit Binder-Krieglstein schon gemeinsame Sache machte, hat mit Granada im Herbst 2016 ordentlich aufgezeigt, nachzulesen unter anderem hier.

Nun gibt es das zweite Album „Ge bitte“ und tja, was soll man sagen, es ist nicht gerade überraschend ausgefallen. Das Prinzip „more of the same“ funktioniert im Pop eh sehr gut und die zweite Platte ist ja ohnehin immer die schwerste, aber das ist uns irgendwie bei aller Liebe zu wenig.

Der Gesang wirkt genervt, auch die Texte spiegeln eher Langeweile und Müdigkeit (und das schon von Beginn weg). Das musikalische Kostüm passt nach wie vor, neu ist es aber nicht. Besonders seltsam die Hass-Erklärung an Berlin. Aber bitte, jeder nach seinem Gusto. Eine Ausnahme gibt es glücklicherweise doch: „Sauna“. Eingeschworenen Fans wird die Platte trotzdem gefallen. Wer Granada noch gar nicht kennt, sollte sich allerdings eher das erste Album kaufen.

TIGER FAMILY:  „Tarantoga“, Pumpkin Records 2018

Und gleich noch mal Graz. Die Tiger Family hatte 2016 ebenfalls ihr Debüt, hier gibt es mehr darüber. David Künstner, Paul Pfleger, Klaus Wohlgemuth und Alex Connaughton sowie der auf diesem Sender schon reichlich präsente Ratrock Tot Sint Jans werden bei Platte Nr. 2 verstärkt von Renate Walter samt Flöte, Lisa Kaufmann samt Geige und Banjo-Spieler Philip Daniel.

Das ganze gibt es auf schönem dunklem Vinyl, am besten sicher in ein paar Jahren mit der entsprechenden Patina. Ein bisschen ungewöhnlich ist es ja schon, dass das Band-Album so knapp nach dem jüngsten Solo-Werk des Ratrockers erscheint, aber für Gewöhnlichkeiten hat er ohnehin wenig Sinn. So nennt er seinen Stil auch gerne „Boring Rock“, was außer ihm aber fast niemand glaubt.

„Tarantoga“ ist klassisches Songwriting, Americana-Sound, flirrende Hitze und die Kühle der Nacht. Ja, auch das ist letztlich „more of the same“, aber eben mit Drehungen und Wendungen hin zum noch Besseren. Diesmal nicht im Schnellverfahren „live“ eingespielt, sondern gerüchtehalber monatelang im Studio erdacht und erprobt. Wir könnten dieser Familie stundenlang zuhören, wie sie entspannt dahinspielt. Ziemlich großartiges Artwork übrigens auch. Und in Summe wieder ein feines Stück Musik aus der Mur-Metropolis.

MARY BROADCAST: „Svinx“, Between Music 2018

Die Wiener Sängerin mit dem interessanten Namen, die sich live mit den Herren Jimi Dolezal, Thomas Hierzberger, Andreas Senn und Andreas Grünauer umgibt, macht seit 2005 Musik. Bislang verbuchte sie etliche Achtungserfolge und könnte nun mit „Svinx“ womöglich den Sprung nach ganz vorne schaffen.

Das Album wurde von Markus Kienzl, bekannt von den Sofa Surfers, produziert und klingt ein klein wenig mysteriös, dabei aber immer nach „klassischem“ Indie-Pop. Das Tempo ist bei den meisten Songs ganz ordentlich rausgenommen, die beeindruckende Stimme von Frau Broadcast lässt einem die Nackenhaare aufstehen. Wüsste man nicht aus den Presseinfos, dass wir hier über heimisches Musikschaffen reden bzw. schreiben, hätten wir die Brit-Pop-Schule hinter diesem Juwel von Platte vermutet. Sehr spannend, sehr eigen, sehr stark und vor allem: Wunderbar wandelbar!

Hier noch ein bisschen was zum Anstaunen:

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