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Musik

Tonträger des Monats April / Int.

HOLLY MIRANDA: „Mutual Horse“. Dangerbird Records 2018


Die Frau hat eine Stimme, die einem die Gänsehaut aufzieht, vor Begeisterung wohlgemerkt. Ihre Texte lassen an Eindeutigkeit auch nichts zu wünschen übrig. Auf ihrem vierten Solo-Album findet sie endgültig zur Perfektion, weshalb wir hier sehr glücklich sind, „Mutual Horse“ auf CD und Vinyl zu besitzen und damit in jeder Lebenslage auflegen zu können.

Das Besondere an Mutual Horse: Holly Miranda hat für diese Platte intensiv mit anderen Musikern kooperiert, wie etwa Josh Werner (Dr. John, Lee Scratch Perry), Jared Samuel (Yoko Ono), Jim Kirby Fairchild (Grandaddy, Modest Mouse), Kyp Malone (Tv On The Radio), Maria Eisen (Underground System), Matthew Morgan (Built To Spill, Modest Mouse) und anderen.

Das macht das Album vielfältig und abwechslungsreich, was sehr gut zur Philosophie der Musikerin aus Detroit passt. „Ich war schon immer dafür, nicht zweimal das selbe Lied zu schreiben“, sagt sie selbst. Schon die ersten zwei Songs auf Mutual Horse stoßen komplett unterschiedliche Welten auf und in dieser Tonart geht es weiter bis zu Song 13 bzw. 14, denn die digitale Version hat einen Track mehr zu bieten. Die Platte entstand in LA und in NY – und beides hört man. Prädikat: Großartig!

Tipp für Spontane: live am 5. April im Haus der Musik in Wien, am 6. 4. in Villach und am 7. 4. in Kufstein.

ANNA VON HAUSSWOLFF: „Dead Magic“, City Slang, März 2018

Und gleich noch eine Frau mit einer Wahnsinnsstimme. Die schwedische Ausnahmekünstlerin Anna von Hausswolff lebt in einer Welt, die mit „mystisch“ nur sehr unzureichend beschrieben ist. Ihre auch schon vierte Platte wurde in Kopenhagen produziert und ist geprägt von der beeindruckenden Orgel der Marmorkirken, einer der größten Kirchen Skandinaviens.

Fünf Songs reichen Hausswolff, um 47 Minuten voller dichter Atmosphäre herzustellen, die man so noch nie gehört hat. Einen dunklen Diamanten nennt die Plattenfirma das Album – und ganz leicht haben es die Leute von City Slang nicht bei der Promotion. Schließlich hat die Musikerin als einzige Zusatzinfo zum Album ein Gedicht des schwedischen Poeten Walter Ljungquist (1900-1974) beigesteuert.

Auch wenn Hausswolff also keine leeren Worte machen will, so spricht „Dead Magic“ eine klare Sprache. Mit einem märchenhaft-alptraumhaften Gesang begibt sie sich in Abgründe, die einem Aphex Twin genauso viel Freude bereiten würden wie etwa der Britin Polly Jean Harvey. Ein Meisterwerk voller grauer Schatten.
 

EELS: „The Deconstruction“, E Works / [PIAS] Cooperative, VÖ: 6. 4. 2018

Vier lange Jahre ließ eines der eigenwilligsten Genies dieses Musikkosmos seine Fans warten. Endlich ist es soweit: Der Mann, den sie E nennen, hat mit seinen treuen Gefährten 15 neue Lieder im sonnigen Kalifornien aufgenommen. Ein Orchester und ein Chor sind mit dabei, ebenso wie Koool G Murder, P-Boo und Produzent Mickey Petralia, der anno dazumal bei “Electro-Shock Blues” mitwirkte. Gewidmet ist „The Deconstruction“ dem verstorbenen Bruder im Geiste, Bobby Jr.

E sagt über die neue Scheibe: “Here are 15 new EELS tracks that may or may not inspire, rock, or not rock you. The world is going nuts. But if you look for it, there is still great beauty to be found.“

Und so beginnt der Titelsong auch mit den Worten: „The Deconstruction has begun. Time for me to fall apart.“ Ob damit nun Mr. Everett selbst gemeint ist oder vielleicht sogar die USA, wie wir sie kennen? Klar ist: So kann es nicht weiter gehen. Statt zornigen Protestsongs setzen die Eels aber auf symphonische Klänge mit reichlich Raum zum Selbstdenken. Dazu gibt es den klassischen Sound, den so schnell kein anderer hinbekommt. Die Eels-Songs sind anders als bei Holly Miranda schon immer recht nah bei einander gebaut. Dennoch ist diese Platte etwas ganz Besonderes. Ruhig, konzentriert und am Ende doch konstruktiv. Lieblingsnummer: „Be Hurt“, so etwas wie ein Liebeslied für Anspruchsvolle.

Schon jetzt vormerken: Am 16. Juli kommen die EELS nach Dornbirn zum Poolbar Festival und am 17. Juli nach Wien in die Arena.

THOSE WILLOWS: „Deluxe“, März 2018

In unseren Breiten dürften Mel Tarter und Jack Wells nur Eingeweihten bisher ein Begriff sein. Mit ihrer zum Quartett gereiften Band Those Willows verzaubern sie allerdings seit geraumer Zeit Portland, Oregon, und haben es auch bereits ins US-Fernsehen geschafft. Die Kollegen von der lokalen Presse „Willamette Week“ schwärmen: „Those Willows’ warmherzige Popmusik hört sich wie der Klang einer jungen hoffnungsvollen Liebe an.“

Eine gewisse Leichtigkeit liegt in all dem, sehr sympathisch und dabei keinswegs naiv. Die Welt ist eh düster genug, mit den Willows wird sie für die Länge einer Platte etwas netter. Mel hat übrigens eine Stimme, die zwischen glockenhell und dunkel viele Facetten bietet. Auffallend fein die Drums.

Und falls jemand ein Etikett braucht: Soul ist dabei, Folk auch. Und vor allem viel Portland…

Live:
6.4. Haus der Musik | Wien
7.4. RIVA | Bratislava
8.4. Böllerbauer | Haag
9.4. Wohnzimmerkonzert | Linz

TRAILHEAD: „Keep walking“. Requa Records, März 2018

Hinter Trailhead verbirgt sich nicht etwa eine mehr oder minder blutrünstige und orientierungslose Metal-Partie, sondern ein sensibler und vielgereister Singer-Songwriter aus deutschen Landen. Tobias Panwitz ist gerne unterwegs und wie das Schildkröten-Cover seiner Platte verrät, hat er es dabei nicht eilig. Ob in Spanien, Norwegen oder Peru, seine bevorzugte Fortbewegungsart ist das Gehen bzw. das Laufen.

Für eine Marathon-Playlist wird das Album wohl zu ruhig sein, aber dafür ideal für die Erholungsphase nach der sportlichen Betätigung. Wenn man „Keep walking“ ohne Hintergrundinfos hört, würde man jedenfalls nicht auf deutsche Herkunft tippen, sondern auf die USA. Staubige Landstraßen, ab und zu ein Einzelgänger an der Bar. Trailhead ist schließlich auch eine internationale Angelegenheit. Neben Panwitz sind die polnische Sängerin Renata Morning, Singer-Songwriter Guido Kreutzmüller (The Say Highs), der Engländer Paul B Keeves (Prag, Hinterm Horizont) am Bass, Schlagzeuger Dirk Morning (Robert Carl Blank, Christian Haase), der polnische Lead-Gitarrist Michal Golabek und Singer-Songwriter Mathew James White aus Neuseeland auf der Platte zu hören.

Hier eine Kostprobe, die der spanischen Hauptstadt gewidmet ist, die wir Haubentaucher so gerne wieder einmal bereisen und begehen würden:

GEORGE FITZGERALD: „All that must be“, Domino Records, März 2018

George Fitzgerald werden manche als DJ kennen, der in Berlin jahrelang für volle Dancefloors sorgte. In seinem neuen Lebensabschnitt zog es den Briten retour nach London, wo er als Produzent und Familienvater ruhigere Wege beschreiten will.  Zu Fuß ins Studio am Vormittag, statt in der Früh mit dem Taxi nach Hause, das ergibt neue Perspektiven.

Die zweite Platte bringt dennoch viel Tanzbares, aber eben dezent, ohne den Power-Regel ganz nach rechts zu drehen. Die Zusammenarbeit mit Leuten wie Lil Silva, Bonobo und Tracey Thorne ließ 10 Songs entstehen, die auch bei einer Zugfahrt, entspannten Momenten in der Chillout-Zone oder ganz einfach zuhause vor dem Bildschirm mit der Kamin-APP bestens funktionieren.

„Keiner der neuen Tracks wurde rein für den Club produziert. Natürlich soll alles so unterhaltsam sein wie bei meinem letzten Album. Aber mir schwebte eine andere Stimmung vor, um die Veränderungen in meinem Leben widerzuspiegeln“, sagt Fitzgerald. Demnächst wird er auch mit einer vierköpfigen Band auf Tour gehen, man darf gespannt sein, wie das Konzept auf der Bühne funktioniert. Die Platte ist jedenfalls ein Must-have für alle, die etwas mehr mit elektronischer Musik anfangen können.

PRETTY CITY: „Cancel the Future“. Gaga Digi, März 2018

Hugh, Johnny, Drew und Ken aus Melbourne sind: Pretty City. Ein Bandname, den andere nach 2 Sekunden verwerfen würden, der aber doch irgendwie zu dem mehrheitlich sehr langhaarigen Quartett passt. Denn: Retro-Rock-Sounds sind ihr Zuhause. In den beigelegten Presseunterlagen wird auch nicht tief gestapelt: Die Musik orientiere sich an den großen Jesus and Mary Chain, My Bloody Valentine und den Smashing Pumpkins liest man dort.

Auf der neuen Scheibe bringen die Australier ihren „Fuzz Rock“ in einer gemütlich-schrummeligen Garagen-Anmutung unter die Leute. Irgendwie neben und zwischen allen Stühlen, aber sehr wohltuend schwurbelig und un-trendig. Soll heißen: Die speckige Lederjacke darf wieder aus dem Kasten, wenn Pretty City in die Stadt kommen. Und das tun sie demnächst auch bei uns:

18.04. B72 | Wien
19.04. Wakuum | Graz
20.04. UFO | Bruneck (IT)
21.04. Stadtwerkstadt | Linz
22.04. Böllerbauer | Haag

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