Kategorien
Musik

Tonträger des Monats April / AT

STEAMING SATELLITES: “Back from Space”. The Instrument Village, April 2018

Uh, das ist groß, gut und stark! Die Salzburger Band, auf der Bühne zu fünft, im Studio zu dritt, fährt mit gehörigem Speed vom Weltall in die heimischen Konzerträumlichkeiten (oder zuletzt auch in die Wiener Bim) und sorgt mit ihrem extracoolen Synthie-Gitarren-Rock für jede Menge Yeah-Feelings.

Eine ganz spezielle Mischung, eine ganz eigene Sicht auf den musikalischen Kräutergarten wird da geboten. Dazu Hammer-Vocals, die alle Stimmungen perfekt auskleiden. Kein Wunder, dass unter den beeindruckenden 19.500 Facebook-Fans auch Kollegen wie etwa der grenzgeniale Ratrock Tot Sint Jans zu finden sind.

Die Titelnummer ist ohnehin Kandidat für den Song des Jahres in Österreich, so viel Euphorie muss sein. Für uns sind Max Borchardt, Emanuel Krimplstätter und Matthäus Weber mit dieser Platte endgültig unter den drei spannendsten Bands dieses Landes einzureihen.

Prädikat: Muss haben!
Und muss sehen:
22.05.18 Wien Arena
23.05.18 Salzburg Republic
25.05.18 Innsbruck Treibhaus
30.05.18 Graz Orpheum
09.06.18 Linz Bubble Days Linz
 
VIECH: “Heute Nacht nach Budapest”. Phonotron, April 2018

Die steirisch-oberösterreichischen Viecher sind auch nicht mehr die, die sie einmal waren. Der in den vergangenen Monaten hierzulande fast omnipräsente Paul Plut hat mit Drummer Christoph Lederhilger und Bassistin Martina Stranger nun die Besetzung gefunden, die seine dunkle – im wahrsten Sinne des Wortes – animalische Seite ideal zum Klingen bringt. Ist der Auftaktsong in seiner Struktur bereits recht vertraut, erinnert spätestens “Bartleby” dann auch sehr an Pluts eigenes Oeuvre – und das ist bestimmt keine schlechte Reverenz.

Viech 2018, das ist geradliniger, vielleicht noch etwas dunkler, auch langsamer und schwergewichtiger. Was damit einhergeht: Die Weigerung, der nächste große Hype aus Österreich zu werden. Und das ist eine ausgesprochen kluge Entscheidung. Auch wenn man dann in Wien halt konsequenterweise nicht in den großen Hallen spielt, sondern in der Sargfabrik – und in Graz nicht im großen Saal des Orpheums, sondern im Obergeschoss. Viech bleibt also doch Viech. Wer musikalische Experimente oder atemberaubende Innovationen sucht, wird anderswo sein Glück finden müssen. Allen anderen empfehlen wir ganz besonders die Nr. 6: Dreck. Schöner gehts kaum.

5. 4. Innsbruck, PMK; 6. 4. Bludenz, Remise; 7. 4. Schladming, Klangfilmtheater; 17. 4. Wien, Sargfabrik; 20. 4. Graz, Orpheum Extra; 21. 4. Villach, Kulturhofkeller


BAGUETTE: “Expensive Mouse”. Noise Appeal Records, April 2018

Baguette, unter diesem schönen Namen treten seit 2013 Philip Prugger und Manuel Finster aus Graz in Erscheinung. Die kostspielige Maus ist ihr zweites komplettes Album und es klingt erst mal angenehm nach Lärm der Beton-Bauweise Marke “Melvins”. Das ist nicht ganz so verwunderlich, wenn man die Vorgeschichte der Band kennt und weiß, dass diese Platte von Bernd Heinrauch co-produziert wurde, der tatsächlich bereits mit der Partie rund um Struwwelpeter Buzz Osborne arbeiten durfte.

Baguette rührt tief im Rocksumpf und fördert etwas zutage, das man als erstklassige Wall of Sound begreifen darf. Sicher nicht ohne Ironie, davon zeugt nicht nur der Albumtitel, sondern auch Songs wie “Smoothie Startup”. Feinster Gitarrenrock, abgerundet mit erstaunlichen Kehrtwendungen, eingängigem Getrommel und manch seltsamem Gefiepe.

Am 12. 4. gibt es das ganze in Kombi mit Raumschiff Engelmayr im Rhiz.

COINFLIP CUTIE: “Second Chance”. Pumpkin Records April 2018

Zweite Chance für Tom Reiterer und seine sympathische Band. Indie-Rock aus Graz mit Akustik-Gitarre, sehr fein abgemischt von Christofer Frank. In den vergangenen 5 Jahren seit der letzten LP ist viel passiert, die Cuties sind ordentlich herumgekommen und der Sound hat davon sehr positiv profitiert.

Könnte ebenso gut aus Portland kommen – und wenn wir das sagen, ist es natürlich als Kompliment gemeint. Lieblingsstück derzeit ist “Driver”, ein Song, der alles vereint, was man an Alternative Music gut finden darf. Am 8. April im Chelsea in Wien kann man sich vergewissern, wie die vier ihre Platte live interpretieren.

C-60: “Fröhlich & Unverwüstlich”. LasVegas Records, April 2018

Die drei Herren Claus Prellinger, Günter Klinger und Julian Prellinger sind nicht erst seit gestern aktiv, aus dem Jahr 2003 stammt der Song “Erfolg”, der es damals bereits auf eine FM4 Soundselection schaffte. Das letzte Album datiert aus dem Jahr 2012, C-60, die sich selbst “elektronische Bastelstube” nennen, haben es eben nicht wirklich eilig. Daher auch die Hinwendung zu einer Spielart von Electro, die durchaus nicht weit von der Philosophie der “Neuen Deutschen Welle” ist.

Das Schöne daran: das ist überhaupt nicht als “Retro” zu verstehen, sondern hat einen tatsächlich heiter unbeschwerten Grundtenor, der auch ganz junge Hörer/innen faszinieren wird. Sehr tanzbar und auch sonst eine äußerst erfreuliche Neuerscheinung, die wir so gar nicht auf der Liste gehabt hätten. Bilderbuch hören kann jede/r, C-60 ist hingegen etwas für richtige Auskenner/innen. “Ich brauche euren Applaus nicht”, wie es in einem Song heißt. Klar, aber schaden tut es auch nicht. Für die ganz Schnellen: am 5. 4. spielen C-60 in der Arena Wien!

NELIO: “Neiche Wege”. Problembär Records, März 2018

Wer aber etwas wirklich wirklich Seltsames erleben will, der sollte dann noch bei Nelio reinhören. Manuel Goditsch und Jakob Lindsberger machen gemeinsam mit der Irin Catrina Cassidy und dem Kolumbianer Sebastian Ochoa Uribe unbeschwerten Pop mit Einsprengseln von Soul, Funk, ein bisschen Rap und allerlei mehr. Aber: Das ganze kommt mit Salzburger Mundart-Texten daher. Und einem Sound, den man unserer Meinung nach ungestraft mainstreamig nennen darf.

Also letztlich doch wieder Austro-Pop? Irgendwie schon. Und auch so kuschelig, dass man sich zumindest für die Österreich-Entscheidung des European Songcontest bewerben sollte.

“Wilde Mischung, sanfte Töne” meinte das profil kürzlich zurecht. Aber dann kommt der nächste Rap-Einsatz wie etwa bei “Gott in Frankreich” und auf einmal sind wir wieder dabei. Also ehrlich: Nelio, das sollte man zumindest mal gehört haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert