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Christoph Ransmayr: “Cox oder der Lauf der Zeit”, S. Fischer 2016

Der neue Ransmayr-Roman steht bereits auf der Bestsellerliste ganz oben, wozu also eine Haubentaucher-Besprechung? Weil wir mit den bisherigen hymnischen Rezensionen (soweit wir sie konsumiert haben), nicht ganz einverstanden sind. Gewiss, der gebürtige Oberösterreicher ist ein Autor von Weltrang und ein begnadeter Vorleser und Geschichtenerzähler, wie er im vergangenen November auch im Grazer Literaturhaus bewies. Aber “Cox”, diese seltsam zusammen gereimte Story wirkt eher wie eine Fingerübung zwischendurch.

Durch einen unfreiwillig verlängerten China-Aufenthalt kam Ransmayr auf die Historie des uhrenverliebten Kaisers Qiánlóng. Sein Regime gilt zugleich als kunstsinnig und brutal – und letzterem gibt der Autor reichlich Platz. Die geschilderten Foltermethoden sind nicht ohne, wer weiß, wie viel davon Erfindung ist und wie viel historische Realität. Der englische Uhrmacher Cox ist keine Fiktion, auch wenn er den Kaiser von China im Gegensatz zur literarischen Darstellung nie persönlich traf. Und das ist dann wohl auch eines der deutlichsten Mankos: Ein bissl gar viel Phantasie für ein Buch, das im geschichtlichen Gewand daherkommt. Zumal die Romanfigur Cox auch eine tragische private Familienbiographie umgehängt bekommt, die man niemandem wünscht. Damit wir uns nicht falsch verstehen: “Cox” ist über weite Strecken spannend zu lesen, Ransmayrs Sprache weiß zu überzeugen, doch der eigentliche Höhepunkt bleibt aus. Als das vom Kaiser so ersehnte Meisterwerk von Cox und Kollegen endlich fertig ist, endet auch das Buch. Sang- und klanglos im doppelten Sinne. Vielleicht ist so aber auch die Platzierung in den Buch-Charts erklärbar: Die 300 Seiten schafft man locker, eine “fertig” erzählte Geschichte hätte womöglich mehr als den doppelten Umfang benötigt. Trotzdem schade…

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