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Pop-Buch des Monats

“I love my shirt”, herausgegeben von Wolfgang Pollanz, Edition Kürbis 2016

Pollanz, der pumpkin-Impressario aus Wies, hat ein untrügliches Gespür für knusprige Themen der Popkultur, die er in Form von Anthologien unters Volk bringt. Dies hier ist eine seiner allerbesten, denn: Wer hat es nicht zuhause im Schrank, das Shirt mit der (einstigen) Lieblingsband, mit dem heiß verehrten Rockstar.

Irene Diwiak startet auch tatsächlich fulminant in die Geschichtensammlung, mit einer Story über den gescheiterten Musiker Johnny, der Billigstkopien von Band-Shirts anfertigt und dem eines Tages eine Idee kommt, die fast schon große Kunst ist. Es folgt der Austrofred mit einer Themenverfehlung, wie der Deutschlehrer anno dazumal gesagt hätte. Aber das heiter bis absurd, wie man es vom Mercury-Impersonator gewohnt ist. Alle möglichen und unmöglichen Heiligen kommen da vor, ehe am Ende sogar zum Hl. Fred von Austria gebetet wird. Allerdings muss der Mann mit dem Schnauz schön langsam Obacht geben, dass der Witz sich auf die Dauer nicht etwas zu stark abnutzt. Wir nennen das auch gerne das Michi-Ostrowski-Phänomen.

Andrea Stift-Laube überzeugt in der Folge mit einer wunderbaren Geschichte über einen, dessen Leben nachhaltig von Tocotronic ruiniert wurde. Beziehungsweise von einem Shirt, das einfach ein paar Nummern zu groß war. Bei Rainer Krispel, der als Musiker und Indie-Journalist wohl am meisten zum Thema zu sagen hat, taucht das EARTH-Shirt das erste Mal auf, das Neil Young bei der Tour 2014 gratis verteilen ließ. Vor lauter Musiker-Namedropping und Qual der Wahl (Altkleider-Container oder Aufbehalten?) kommt allerdings die Geschichte hier etwas sehr kurz. Ähnliches gilt für Andrea Wolfmayr, deren Kernthese lautet: Band-T-Shirts an Frauenkörpern sind problematisch, weil die Männer in Wahrheit nicht auf das Konterfei des Stars oder die Message achten, sondern nur auf die Brüste starren. Aha.

Wie eine Kurzgeschichte hingegen vom ersten Augenblick eine überzeugende Stimmung kreieren kann, sieht man anschließend beim Text von Günter Neuwirth. Mit knapper Prosa schildert er ein riesiges heruntergekommenes Loft, dessen Bewohner Kaspar, Freund Dietmar und zwei spektakuläre Besucherinnen so eindringlich, dass man sofort das Kopfkino startet. Ein origineller Text, der Lust auf die zwei Neuerscheinungen Neuwirths macht, die für 2017 angekündigt sind.

Wolfgang Pollanz geht abermals auf das EARTH-Shirt ein und schildert es vor dem Hintergrund eines Autors, dem zum Thema nichts mehr einfällt. Mike Markart setzt mit seinem Text dann quasi das altbekannte Schreiber-Dilemma fort und schreibt über einen, dem die Deadline immer näher rückt. Angenehmerweise verirrt er sich dabei aber von der tristen Gegenwart der abgetragenen Nirvana-Leiberln in die Vergangenheit, als man mit einem “Thick as a brick” Aufdruck noch die Lehrerschaft unruhig machen konnte.

In Summe ist “I love my shirt” eine Sammlung, die die Neigungsgruppe Rock und Popkultur bestimmt haben wird wollen. Denn das einzigartige Gefühl des Besitzerstolzes, das so ein Band-Leiberl auslösen kann, ist nie zuvor so treffend in Buchstaben übersetzt worden. Auch wenn – oder gerade weil – die Zugänge der Autorinnen und Autoren so unterschiedlich sind, gehört die handliche Anthologie gleich neben das Plattenregal – vielleicht sogar in selbiges. Wo ist eigentlich mein, beim Waschen ziemlich böse eingegangenes EARTH-Shirt, verdammt?

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