Kategorien
Diverses

Krimi des Monats Dezember

„Kanzleimord“ von Gudrun Smole, TEXT/RAHMEN Verlag 
„Sie lachen, Cohn! Aber ich mein es ganz ernst! Sie haben einen anstrengenden Beruf. Immer mit dem Gesindel… Wenn ich ehrlich bin, bin ich ganz froh, dass ich nicht direkt…Sie verstehen schon, na ja, mit unseren Kunden quasi zu tun hab. Aber was soll man machen, die Bürde des Amtes, die Verantwortung! Als mich Seine kaiserliche Majestät damals, vor vielen Jahren jetzt schon, in dieses Amt berufen hat, da war mir nicht klar, was…“ Baron von Hochstedt verstummte für einen Moment. „Sie verstehen mich auch so, Cohn, das weiß ich, Sie wissen schon was ich meine. Die Stadt ist nicht mehr dieselbe. Nicht mehr das Wien meiner Jugend, ha, und die ist lange her! Manchmal denk ich, die Stadt ist wie ein Gärfassl, wo es drin brodelt…und stinkt.“
Die Hauptfigur in Gudrun Smoles Debüt „Kanzleimord“ ist ein gewisser Chefinspektor Cohn – und um es gleich vorwegzunehmen: Cohn ist kein zweiter Inspektor Simon Brenner oder Armin Trost,  versucht auch gleich gar nicht in die Fußstapfen ähnlicher, österreichischer Kriminalhelden zu treten -und das ist auch gut so. „Kanzleimord“ ist kein typisch österreichischer Kriminalroman: eher eine Zeitreise in das alte, kaiserliche Wien – traditionelle Kaffeehauskultur inklusive. Smole überrascht mit einem spannenden Erzählstil und historischen Details rund um einen Doppelmord in einer Wiener Rechtsanwaltskanzlei des 19. Jahrhunderts. Dieses Werk könnte aufgrund seiner unaufdringlichen Atmosphäre und seiner einfach gestrickten Charaktere vermutlich sogar öfter in offene LeserInnenhände fallen als ursprünglich erwartet.

In seinem ersten Fall beschäftigt sich Chefinspektor Cohn mit dem Mord an Dr. Rothenberg und Haushälterin Frau Woyda in der Kanzlei des Anwalts. Anscheinend ist der mögliche Täter bald gefunden und Cohn bräuchte nur noch Motiv, Beweise und Faktenlage darzulegen, um den blutigen Doppelmord aufzuklären. Doch warum einfach, wenn es spannend auch gehen kann. Denn obwohl der eigenwillige Beamte Cohn problemlos als Langweiler, Spiegeltrinker oder „Steinzeit-Derrick“ durchgehen könnte, überzeugt er langfristig durch kleine Kniffe und neue Facetten in seiner Arbeit im umfangreichen Überangebot der klassischen Kriminalliteratur. Tatsächlich wandelt Cohn anfangs in bekannt erscheinenden Krimigefilden und zeigt wenig Profil – überzeugt aber ab Mitte des Buches durch eigenständige Kommentare und Handlungsüberraschungen. Mögen dem Buch so einerseits die wirklich großen Momente fehlen, entpuppt sich der Gesamteindruck jedoch qualitativ als konsistent und das Werk gleichzeitig als souveräne Erzählung.

Autorin Gudrun Smole stammt aus dem kalkig-karstigem Niemandsland in der geografischen Mitte Österreichs (laut eigenen Angaben im Buch), verbrachte über ein Jahrzehnt im Ausland und lebte unter anderem in der Schweiz, in China, den Niederlanden oder den USA. Während der Debütroman im 19. Jahrhundert in Wien spielt, lebt und wohnt die Schriftstellerin selbst heute in Kärnten.
Wie sorgfältig Gudrun Smole ihre Detailliebe zum alten Wien unterstreicht, ist deswegen alleine insofern erstaunlich, weil die Akribie zu keinem Zeitpunkt überbeansprucht wird. Wichtig scheint ohnedies die Erkenntnis, dass die Autorin ihre Stärken auch inmitten von Krimiklischees und männlichem Autorenüberhang in diesem Genre ausspielen kann und am richtigen Weg bleibt. Am besten ist Smole immer dann, wenn sie aus typischen Schreibmustern ausbricht und den Hauptakteuren der Geschichte eigenes Leben einhaucht. Insofern könnte dies ein Rezept für Cohns zweiten Fall sein und lässt die LeserInnen gespannt auf eine Fortsetzung hoffen…

Mutig und vielversprechend präsentiert sich auch der Verlag des Werks „TEXT/RAHMEN“ aus Wien. Die Kollegen Uhl/Markovics gründeten diesen jungen, heimischen Verlag und zelebrieren auf ihre Weise den angekündigten Tod des Buches: „Wer wird in Zukunft noch Platz für Bücher haben? Bücher lesen kostet doch so viel Zeit. Das Buch ist doch tot?“
In diesem Sinne: „Death is not the end!“ 

Text & Foto: Haubentaucher-Literaturpabst aL

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert