JA, PANIK: “Don’t Play With The Rich Kids”, Bureau B VÖ 2. 2. 2024
Ja, Panik sind wieder da. Und das neue Album rockt von der ersten Nummer drauf los, als gäbe es kein Morgen. Dabei will man es niemandem (zu) leicht machen, die Band hebt sich deutlich ab von Acts, die sich mittlerweile darauf konzentrieren, auf jeder Platte mindestens ein bis zwei Ö3-kompatible Indie-Hits zu haben. “Diese Welt aus Bling-Bling-Bling” heißt es so treffend im Song “Mama made this Boy”. Das Panik-Album ist hingegen nichts für simple Gemüter und auch Kenner:innen werden “Don’t Play” 2-3 mal durchlaufen lassen, bis die Liebe so richtig erblüht. Aber irgendwann hat man sich mit der Punk-Attitüde angefreundet und dann gibt es als üppige Belohnung mit “Ushuaia” einen Song, der knapp 12 Minuten das Herz verzaubert. Ja!
Im April touren die Burgenländer durch Deutschland plus Wien und Salzburg. Graz ist vorerst leider nicht am Plan.
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BERNHARD EDER: “Golden Days”, Tron Records VÖ 2. 2. 2024
Der feinfühlige Herr Eder ist so was wie ein Freund des Hauses. Wir freuen uns jetzt schon auf seinen Auftritt im Café Wolf am 18. April, weil da passt er hin wie auf sonst keine zweite Bühne der Stadt. Der Wiener Singer-Songwriter legt mit den “Golden Days” ein vielschichtiges Album vor, das von hohen Tönen bis zu mitreißenden Sounds den Pop feiert und sich dabei Zeit lässt. Gut die Hälfte der Songs sprengen das klassische 3-Minuten-Format.
Mit jedem neuen Album wird Bernhard Eder reifer, zieht sich aber nie in selbst gewählte Konventionen zurück, sondern geht neue Wege. Es mag ein seltsamer Zeitpunkt für Optimismus sein, aber genau dieses Gefühl strahlt die Platte aus. Vielleicht bisher seine allerbeste. Ab dem 5. 2. (Release im TAG, Wien) bis zum 10. Mai liegen bereits Live-Termine vor. Lasst euch das nicht entgehen, wenn ihr Menschen mit Geschmack abseits der Formatradio-Philosophie seid.
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ENDLESS WELLNESS: “Was für ein Glück”, Ink Music VÖ 26. 1. 2024
Die vier kennen sich schon ewig aus Salzburger Zeiten. In Wien fand man wieder zueinander. Und spielt seit 2021 unter dem Signet Endless Wellness. Lustig: Die Platte ist gerade erst offiziell erschienen, aber irgendwie hat man das Gefühl, “Was für ein Glück” sei eh schon Allgemeingut. In manchen Jahresbestenlisten war die Platte bereits zu finden, in den FM4-Charts auch.
“Ich weiß jetzt endlich, wo ich sein mag”, singt unsere neuerdings liebste Wellness-Band und setzt fort: “und das hat keine Nation, keinen Gott und keinen Bausparvertrag.” “Was für ein Glück” wird man sich auch tatsächlich freuen, wenn man das gute Stück endlich zu hören kriegt. Rockig, poetisch, klug, mitreißend. Kann eine Platte mehr einlösen als die da? Und selbst das meist recht schlecht gelaunte Publikum im Standard-Forum ist sich einig: Das ist gut, richtig richtig gut!
Was erstaunlich ist: Das ist tatsächlich das erste komplette Album. Und klingt gar nicht “hoppertatschig”, wie der auch nicht selten übel gelaunte Herr Schachinger ebenda im Standard meint, sondern im Gegenteil: Abgeklärt. Aber auch: Energiegeladen. Dort, wo man angesichts des Newcomer-Status Naivität vermuten könnte, ist schon Ironie zu finden. So werden ungeniert Grauzone und Nena zitiert und ins 21. Jahrhundert überführt. Man muss sagen: Das ist ein sehr ernsthafter Kandidat für die Platte des Jahres (und wir haben gerade erst Februar).
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DRIVE MOYA: “The Great End”, Noise Appeal Records VÖ 9. 2. 2024
Das Debut 2019 haben wir hier gelobt. Nun, etwas mehr als vier Jahre später, sind die Moyas rund um Christian Jurasovich, Simon Lee und Philip Pfleger wieder da. Der Sound erinnert an den Grunge der früher 90er, allerdings ist Drive Moya auch für harmonische poppigere Songs zu haben (“From the Earth”). Und dann gibt es zum Finale eine Nummer mit fast 9 Minuten Spielzeit (“Ante Valdemar Roos”), so was wie eine kleine Rock-Oper. Eine runde Sache, dieses Album. Es begleitet einen durch verschiedene Stimmungen und es klingt nie nach Wien anno 2024, was hier als wohltuende Alternative zu verstehen ist.
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ERSTES WIENER HEIMORGELORCHESTER: “wo sind die blumen gebleit”, Ohm Records VÖ 19. 1. 2024
Es ist immer noch die erste Heimorgel-Combo der Stadt, aber das schon seit dreißig Jahren. Für die neue Platte wird die Grammatik gewaltig gebiegt, der Dada-Sound fiepst fröhlich. Ja, es ist Blödelei, aber nicht ausschließlich. “Der Hüne wird immer hühner”, “den Mai liebt der Maier am maisten”, das muss man erst mal so gelassen singen. Das Orchester gilt heute in literarischen Kreisen durchaus als sichere Bank, das Album “Die Letten werden die Esten sein” legt deutlich Zeugnis davon ab. Starten wir doch in dieses spannungsgeladene Jahr mit etwas Leichtigkeit und Entspannung. Hören wir EWHO und tanzen wir einen Walzer im Rhythmus der Heimorgeln. Zum Beispiel am 17. 2. in Niederkreuzstetten, am 24. 2. in Bad Ischl oder am 2. 3. in Graz im Theater im Bahnhof.
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GRAVÖGL: “Imma is irgendwos”, Bader Molden Recordings VÖ 12. 1. 2024
Hallo? Was ist das? Ein Mostviertler Quartett, das sich irgendwo zwischen Dialekt-Pop, Rock und leichten Anklängen an den besonders feinen Teil der österreichischen Liedermacher-Kultur Gehör verschafft. “Wievü Kra sitzn” und der Titel-Song “Imma is irgendwos” weisen die Richtung. Und obwohl wir nicht gedacht hätten, dass wir so etwas 2024 brauchen würden: Doch! Spätestens, wenn Bandleader Thomas Gravogl die Mundharmonika auspackt, weiß man auch, warum Bader und Molden diese Platte mit ihrem Label geadelt haben. Obendrein: sehr schönes Artwork. Macht in Summe melancholisch. Macht süchtig nach nocheinmalhören. Macht glücklich.
Foto: Markus Marouschek
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JEANSBOY: “Secret Blue Jeans Society” VÖ 8. 2. 2024
Wann auch immer das mit dem “Focustrack” erfunden wurde, es gibt heute kaum mehr eine Platte ohne einen solchen Hit in spe. Bei Jeansboy und seinem Debut handelt es sich um: “I Made A Pigeon Go To Heaven (2007)”. Und wer sagt’s denn: Der Song ist unter der Mitwirkung von Drangsal, Pauls Jets und Luis Ake entstanden, produziert hat Enzo Gaier (Makko, Bibiza,…) und gemixt Filous (The Kooks, Florence Arman). Und? Der Track ist verdammt gut! Der Rest des Albums übrigens auch.
FM4 nannte den Jeansboy “kleiner Superstar von morgen”, was wahrscheinlich lieb gemeint war. Tatsache ist, dass hier jemand ist, der seine Pet Shop Boys und seinen Marc Almond ganz genau studiert hat. Und der wirklich Ambitionen hat, Pop-Karriere zu machen. Noch gibt es wenig über den Jeansboy im Netz. Ein paar Postings auf Insta, ein bisschen was auf Spotify, demnächst soll es das eine oder andere Video geben. Einstweilen könnt ihr eine Slideshow ansehen und dem guten alten Haubentaucher glauben: Kauft die Platte, ladet sie runter, macht, was ihr wollt, aber: Hört den Jeansboy. Jetzt.
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WELL: “Something Like Courage”, Pumpkin Records VÖ 20. 1. 2024
Die Wiener Band rund um Sängerin Suzi Canji gibt es schon seit 2006. Und doch ist das hier erst das dritte Album. In Wien gehört WELL dennoch zum Indie-Inventar und das zeigt sich auch mit dieser Sammlung von 11 Songs, die uns durch die vergangenen vier Jahrzehnte der E-Gitarre führen. Wunderbar eingängig. Und ein würdiger Abschiedsgruß von Pumpkin-Gründer Wolfgang Pollanz, der mit dieser Veröffentlichung (vermutlich) seine Ära als Labelboss endgültig beendet. Es waren schöne Jahre und wir dürfen stolz sagen: Wir waren dabei. Mit so etwas wie Courage.
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HAKON UND DIE JUNGFRAUEN: “Welthits 2”, Hakon Records VÖ 23. 2. 2024
Komischer Bandname. Interessante PR-Etikettierungen von wegen: “Klingt wie Rio Reiser oder Element of Crime”. Stimmt aber eh nicht. Es ist leicht angestaubter Rock mit deutschen Texten, Bezüge zu Ska finden sich auch. Macht stellenweise wirklich Spaß, genauer nachdenken sollte man vielleicht nicht über Songs wie “Kummer” oder “Alkohol”. Uns erinnert speziell der Gesang ein wenig an die Grazer Band “Love God Chaos”, aber auch nicht bei allen Songs. “Welthits” spielt es natürlich nicht. Live soll die Band ein Erlebnis sein, sagt man (konkret jemand wie David Schalko). Kann man zumindest in Innsbruck demnächst überprüfen.
Foto: Christian Wind