VETTER_HUBER: “Eskalation im Paradies”, Seayou Records VÖ Nov. 2019
Vetter_Hubers Debüt fetzt sich von der ersten Sekunde an durch die Gehirnwindungen. “Ammmmphphphpheeetaaamiiiiin” den Song wird man länger nicht mehr los. Aber wo kommen die beiden eigentlich her und was soll das alles?
Jens Vetter ist Künstler, spezialisiert auf interaktive Performances und Soundinstallationen. Er arbeitet außerdem an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Kunstuniversität Linz an Musikinterfaces für sehbeeinträchtigte Menschen. Yeah!
Patrick Huber pendelt zwischen Performance, Theater und Musik. Seine Arbeiten waren in Linz, aber auch am Nationaltheater Zenica oder demTheaterfestival Sarajewo zu erleben. Zurzeit werkelt er mit Crystn Hunt Akron an einem Schiffsprojekt für die europäische Kulturhauptstadt 2020 Rijeka.
Und Vetter_Huber? Kleschkalter Prähistorischer Techno im Stil von EBM, DAF, WTF? Die perfekte Musik für 4 Uhr früh in einem kunstaffinen Laden mit hübschem Dancefloor und abgedrehten Menschen. Sagen wir Forum Stadtpark Keller oder auch gern irgendwas gar nicht so kunstig Untergründiges. Ziemlich scharf an der Grenze zwischen wahnsinnig cool und ein bisschen peinsam. Ungefährt dort, wo der große Peter Weibel mal mit seinem Hotel Morphila unterwegs war, wo Kraftwerk freiwillig dann doch nicht hingegangen wären. Wo du dich nicht um das Morgen scherst oder dein Scheiß-Image. Das Irre daran: Die Platte hat eine Klarheit, verbindet Bummbumm mit Anspruch und ist so gesehen das Beste, was uns in diesem Dezember passieren konnte. Must have, Ihr Kunstfuzzis!
Lauscht selbst!
Foto: VETTER_HUBER / Dimitrios Vellis
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FEDERSPIEL: “Von der langsamen Zeit”, o-tone music VÖ 22. 11. 2019
Das ist ja eine interessante Angelegenheit. Sieben ziemlich junge und ganz offensichtlich auch bestens ausgebildete Bläser machen eine – räuper – Weihnachtsplatte. Aber ohne Jingle Bells, sondern mit heimischen Klängen bis hin zum Großbauernjodler. Ziemlich langsam, wie es der Titel verheißt, stimmungsvoll und gar nicht kitschig. Wird wahrscheinlich nicht der perfekte Soundtrack für die Großfamilie unter dem Tannenbaum, wohl aber eine angenehme und geistig erfrischende Alternative zum Gedudel allerorten. Live demnächst hier:
6.12. und 7. 12. Laxenburger Schlosskonzerte
12.12. Leogang (Tonspur trifft Schispur)
13.12. Danubium Tulln
14.12. Lisztzentrum Raiding
16.12. Konzerthaus Wien
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“Lieder ins Dunkel” ausgewählt von ERNST MOLDEN, monkey records Dezember 2019
Und gleich noch mal Weihnachten. Und das große: Oh! Denn das ist echt eine schräge Idee. Die ORF-Aktion “Licht ins Dunkel”, die man entweder super findet oder aber auch genau nicht, bringt eine offizielle CD (!) heraus und der Großmeister der Dunkelheit, Ernst Molden, darf sich 18 Songs aussuchen. Das ist mehr als lässig, denn da trifft der Nino mit einem erstklassigen Winterlied auf den Qualtinger. Der Voodoo Jürgens, der Willi Resetarits, der Ambros, der Schurl Danzer, aber auch das Trojanische Pferd und das Kollegium Kalksburg spielen auf, dass der Weihnachtsbock gleich noch viel mehr Sinn macht. Die Songauswahl zeigt, dass Molden das nicht einfach locker aus dem Handgelenk geschüttelt hat, sondern sich sorgfältigst durch die Jahrzehnte der Wiener Musik gewühlt hat. Es scheint ihm große Freude bereitet zu haben. Und das Ergebnis? Eine Perlen-Kollektion, wie sie kein Wiener Juwelier anbieten kann. “Weil ma so fad is”, singt der Qualtinger. Mit der Scheibe jedenfalls: Keine Sekunde!
Live: ORF-Radiokulturhaus am 12. Dezember 2019 bei einer speziellen Gala mit Ernst Molden, Kollegium Kalksburg, Sigrid Horn u.a.
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DRIVE MOYA: “The Light We Lost”, Noise Appeal, VÖ 6. 12. 2019
Oh wie schön ist Panama und wie bunt der Haubentaucher-Soundtrack im grauen Dezember. “Drive Moya” ist nämlich wieder was ganz ganz anderes. “Slowcore” nennt man das angeblich, wir täten sagen: solides Songwriting, Gitarre, Gitarre und: Gitarre.
Christian „Juro“ Jurasovich ist Eingeweihten schon von Mimi Secue und Contour ein Begriff. Für das neue Projekt geht er gut 20 Jahre retour, singt und spielt sich mit Unterstützung von Simon Lee und Sebastian Götzendorfer um Kopf und Kragen. Die Platte gleitet geräuschvoll vom sanften Pop in Melvinsche Dunstkreise. Und macht das so überzeugend, dass man hofft, die derzeitige Zurückhaltung des Trios möge weichen. Die Moyas gehören auf die Bühne. Auf die Playlist. Ins Ohr!
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WALDEN: “Hinterland”, pumpkin records November 2019
Zum Finale gibt es ein Heimspiel für die Grazer Szenerie. Herb Strabo, der früher mit “Catatonic” katatonischen Rock auf die Bühnen der Stadt schleuderte (wir erinnern und noch lebhaft), war in den vergangenen Jahren on the road. Und zwar nicht nach Wildon oder Liezen, sondern mehr so Indien und Amerika. Vergangenes Jahr siedelte er sich wieder in heimatlichen Gefilden an und nun gibt es “Walden”. Sehr Lo-fi, sehr DIY-Feeling. Deutschsprachige Texte, lieber holprig als geschliffen, staubtrockener Gitarrenrock, der auch ein Naheverhältnis zum Blues pflegt. Der Herb pfeift auf alles, was da draußen so läuft, was so gespielt wird. Zwischendurch haut er einen Lovesong raus, dass es einem die Gänsehaut aufzieht, wenn man noch was spürt. Der Herb, der macht sein Ding und das genauso überzeugt wie überzeugend. Dazu passt das Cover dann auch noch, das ausschaut als hätte man es in großer Eh-schon-Wurscht-Haltung mit Word-Schriften verziert. Yes!