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Interview des Monats

“Ich hatte das Gefühl, ich muss mich ein bisschen wehren”

Der Grazer Fotograf Klaus Mähring, der mittlerweile im Burgenland lebt und arbeitet, hat ein neues Fotobuch in limitierter Stückzahl publiziert. Es heißt: “2021, 2022”. Es zeigt die ersten Monate, wenn nicht Jahre, der Covid-Pandemie. Es ist, das sagt auch der Künstler selbst, zugleich dokumentarisch und subjektiv. Der Haubentaucher hat nachgefragt.

Wie ist die Idee zu deinem Buch entstanden?
Mähring: Ich hatte das Gefühl, ich muss mich ein bisschen wehren. Ich habe gemerkt: Ich bin Fotograf und kann das mit einer Kamera. Ich habe mich also mit einer schönen Voigtländer bewaffnet und bin losgezogen. Schnell ist das Gefühl entstanden, dass da große Veränderungen beginnen. Mir ist auch bewusst geworden, dass Fotografie als dokumentarisches Medium sehr gut geeignet ist. Es ist eine subjektive Dokumentation geworden. Alles auf Schwarzweiß-Film fotografiert, auf jeder Filmrolle ist ein Datum mit abgebildet, so ist es zuordenbar. Meine Fotoarbeit ist an sich immer zustimmend gewesen. Ich habe nun aber das erste Mal bewusst Dinge fotografiert, die ich ablehne. Bis auf den Beilagezettel kommt das Buch ohne Text aus. Das Editieren war schwere Arbeit, aus über 400 Aufnahmen habe ich für diese erste Ausgabe 99 Bilder ausgewählt.

Sind die Bilder ausschließlich in Österreich entstanden?
Mähring: Österreich, Ungarn, Rumänien. In der Zeit war ich sehr oft in Rumänien.

Die Belichtung ist originell, überbelichtet, unterbelichtet. Wieso dieses?
Mähring: Es ist tatsächlich sehr freestyle. Teilweise musste ich sehr schnell sein. Manche Sachen sind nur Info. Andere bieten mehr zum Schauen an. Stilistisch orientiere ich mich an der Kriegsfotografie von Magnum. Ich habe daher einen grobkörnigen und hochkontrastigen Film verwendet.

Es ist dokumentarisch, es ist subjektiv, es ist teilweise auch lustig.  Trotzdem hätte man auch in dieser Zeit ganz andere Wege gehen können. So gibt es etwa ein Buch von Christopher Mavric, der das ausgestorbene Wien während des ersten Lockdowns zeigt. Du hättest auch Leute im Krankenhaus abbilden können. Wie bist du zu deinem Zugang gekommen?
Mähring: Wenn man ehrlich ist, dann ist es eben eine subjektive Dokumentation und hat als individuelle Perspektive einen Wert. Mir ging es darum, konkreter zu sein. Ich war ein großer Kritiker der Herangehensweise, das ist schon ein Thema. Mein Lebenselixier sind die Menschen, da war ich auf Entzug. Und so ist es auch ein Versuch, das zu erklären, was mir da fehlte.

Ich darf davon ausgehen, dass du nicht geimpft bist…?
Mähring: Mit dieser Impfung nicht.

Und deine Community, war da große Einigkeit oder gab es starke Brüche?
Mähring: Es gab viele Brüche. So wie ich habe es viele gesehen und erlebt, mit Anfeindungen. In meiner Familie gab es einen deutlichen Split. In meiner Community sind mehr nicht-geimpft als geimpft. Und es ist niemand dabei, der sich jetzt noch impfen lassen würde damit, glaube ich. Es hat sich ein innerer Zusammenhalt gebildet. Mir war immer wichtig, mit allen zu reden. Das ist gesellschaftlich das Schlimmste, die kommunikativen Blockaden, die gebildet wurden.

Glaubst du, dass sich das jetzt wieder abbaut?
Mähring: Die Gräben vertiefen sich, würde ich meinen.

Was mich gestört hätte, wenn ich auf deiner Seite der Diskussion gewesen wäre – ich war eher auf der anderen, wenn man das so sagen kann – dann, dass die extreme Rechte das Thema liebend gern aufgegriffen hat. Kickl etwa. Du warst ja auf verschiedenen Demos, wie ist es, wenn man den selben Platz teilt und auch die selben Themen?
Mähring: Ich war nur bei den zwei Demos in Graz. Übrigens die ersten Demos meines Lebens. In diesem Bereich ist die Zurückeroberung sehr wichtig. Nur weil ein Thema von einer Seite aus angegriffen wird, darf man nicht zurückschrecken, sich trotzdem damit zu beschäftigen. Ich würde auch nicht damit aufhören, die Wörter “ja, natürlich” zu verwenden, nur weil sie anderweitig besetzt sind. Ganz im Gegenteil. Meine Erfahrung war, dass ich nicht die üblichen Demonstrantinnen und Demonstranten gesehen habe, sondern ganz normale Menschen, teilweise “Prolos”, wenn du so willst. “Rechte Nazis” hab ich nicht wahrgenommen auf den Demos.

Du hast Zeitungsseiten abgelichtet. Ist damit auch eine Medienkritik verbunden, man sieht ja die Headlines auf den Bildern…?
Mähring: Angefangen habe ich damit, um ein Datum zu haben. Aber den Medien würde ich in dieser Zeit das schlechtest mögliche Urteil ausstellen. Das spielt bei den Coverfotos auch stark mit. Ich habe in meiner Sammlung auch ein Bild, als mehrere Zeitungen am selben Tag geschrieben haben: “Was wäre, wenn alle dasselbe schreiben?” Ich muss den Zeitungen auch Hetze vorwerfen.

Ist halt blöd, dass ausgerechnet Red-Bull-Fernsehen da eine andere Haltung eingenommen hat oder?
Mähring: Es ist für mich schon überlegenswert, warum sich Kickl so leicht tut, damit durchzukommen. Das hat halt auch mit der Gegenseite zu tun.

Corona ist nicht vorbei, wenn auch vielleicht in abgeschwächter Form. Dir ist schon bewusst, dass das Thema noch nicht abgeschlossen ist oder?
Mähring: Ja, deshalb muss ich mir ja immer wieder neues Filmmaterial kaufen. Das traurige Konzept des Angstmachens wird weiter probiert. Es wird laut geschrien, es wird dann aber eh wenig gemacht. Für meine Einschätzung ist das eine Krankheit, eine Viruserkrankung, die in ihrer Wirkung übertrieben wurde.

Was ist denn das nächste Projekt? Dir geht es ja in deiner Arbeit um Themen wie Freiheit..
Mähring: Ja und dahin möchte ich wieder zurück. Ich möchte mit meiner Kamera dastehen und poetische Landschaften anschauen, mit interessanten Menschen arbeiten. Ich habe eine Arbeit gemacht, die ist noch konfliktreicher als das Buch. Sie heißt “Collateral”. Ich habe alle getöteten Insekten des vergangenen Sommers voller Ehre porträtiert. Die werden mit Nachrufen versehen. Ich habe zu ihnen eine Beziehung aufgebaut und ihnen jeweils ein Locherl geschaufelt.

Die sind durch deine Hand gestorben?
Mähring: Ja, es wird gestorben für unsere Bequemlichkeit. Das Thema Tod schleicht sich in meine Arbeit immer wieder ein. Wir haben dazu auch eine Ausstellung in unserer Galerie.

Ausstellung, wann, wie, wo, bis wann?
Mähring: Im Südburgenland, in Strem. Über den Winter laufen immer drei bis vier Ausstellungen. Wir haben ein feines Publikum, es läuft besser als in Wien. Bis 26. 11. Samstag und Sonntag haben wir geöffnet.

Danke für das Interview!

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Infos zur Galerie “Dezentrale” gibt es unter: https://peakd.com/@dezentrale
Infos zum Buch von Klaus Mähring unter https://peakd.com/@buch 
Foto des Autors samt Buch: ©haubentaucher.at 2023

 

 

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