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Bilderbuch des Monats Künstler/innen Musik

Bilderbuch des Monats

“Keine Macht für Niemand. Ein Ton Steine Scherben Songcomic”, herausgegeben von Gunther Buskies und Jonas Engelmann. Ventil Verlag 2022

Vor genau 50 Jahren entstand das legendäre Album “Keine Macht für Niemand” der deutschen Polit-Band Ton Steine Scherben rund um den viel zu früh verstorbenen Rio Reiser. Es ist bis heute eine Platte zwischen Rock, Blues und Prä-Punk, die keine/n kalt lässt. Den einen waren die Scherben zu links, zu laut, zu aktionistisch und vielleicht auch zu uneindeutig, was die Formen des Widerstands anging. Die anderen feierten das Kollektiv für die Gesellschafts- und Medienkritik, die eben nicht an der Bühnengarderobe abgegeben wurde, sondern die alle Bereiche des Lebens umfasste. Wenn man sich die Songs heute notgedrungen auf Youtube anhört und vor jedem Lied Werbung von Persil oder Haarshampoo kommt, weiß man, dass die Scherben mit ihrer Ablehnung des dumpfen Kapitalismus nicht falsch lagen.

In der ungemein lobenswerten Songcomic-Reihe des Ventil Verlags erschienen bisher Bücher, die sich mit Stereo Total und mit Fehlfarben auseinander setzten. Nun sind Ton Steine Scherben dran und das Spannendeste daran ist, dass es hier nicht einfach Fan-Kunst ist, die entstand. In Wort und Bild setzen sich die Beteiligten auch mit den Songtexten und Gedanken der Band auseinander, manches davon – so der Tenor – ginge heute echt nicht mehr. Anderes hingegen wirkt heute heiter, speziell “Mensch Meier”, ein Kampflied gegen die Fahrpreiserhöhung in Berlin. Hausbesetzungen, die Tristesse in der Großstadt, die Ungerechtigkeiten der Welt und die Hoffnung auf ein besseres Morgen, all das macht “Keine Macht für Niemand” zu einem Polit-Punk-Album, wie es kaum ein zweites im deutschsprachigen Raum gibt.

Wie immer in dieser Reihe ist die zeichnerische Auseinandersetzung stilistisch äußerst divers. Und jedes Comic in sich großes Kino. Kathrin Klingner etwa geht “Wir müssen hier raus” im Stile klassisch-reduzierten Storytellings an – mit einem großen tierischen Protagonisten. Nicolas Mahler zeichnet, wie es nur Nicolas Mahler kann, den “Feierabend” in wenigen fast brachialen Bildern. Rahel Suesskind illustriert “Paul Panzers Blues” als bunten, ansatzweise psychedelischen Comic-Strip. Und Reinhard Kleist setzt den “Menschenjäger” in ein politisches Kampfszenario, in das er mehrmals korrigierend eingreift. An dieser Stelle lassen wir es gut sein, es findet sich nämlich nichts in diesem Buch, das nicht genau so viel Erwähnung verdienen würde.

Heißt für euch: Wenn ihr euch der Scherben-Welt nähern wollt und diese Platte noch einmal ganz genau erfahren wollt, schlagt zu. Aber nicht mit dem Knüppel, sondern mit eurer Geldbörse. Und sei sie auch noch so spärlich gefüllt.

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