CAFE WOLF, Sampler, Cooks Records, VÖ September 2020
Das Wolf in der Annenstraße ist seit der Wiederbelebung nicht einfach nur ein kultiger Schuppen mit gutem Bier, sondern auch eine der kleinsten und zugleich feinsten Konzert-Locations der Stadt. Wer hier schon einmal einen Live-Gig mitverfolgt hat, der weiß, dass das Programm ein buntes und frisches ist. Und dass man sich besser klein macht, egal, wo man steht oder hockt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis endlich auch das Merchandising angekurbelt wird, um den Ruf der Lokalität über die Szenen und die Stadtgrenzen hinaus zu festigen. Daher gibt es Shirts und vor allem: Eine Platte. Drei Jahre Konzertgeschehen zusammengedampft auf 13 Songs. Von Bernhard Lang über Anna Anderluh, routinierten Local Heroes wie Lothar Lässer und Lepenik, bis hin zum Schlagerstar Fritz Ostermayer in Schräglage und den entspannten Babelkindern sind da erstaunlich viele Stilrichtungen zusammen gekommen. Eine Platte, die nicht nur optisch sehr gut ins Wohnzimmer passt, sondern auch musikalisch wirklich spannend ist. Und weil Vol. 1 draufsteht, rechnen wir fix mit einer Fortsetzung.
Lang lebe das Wolf!
ROTE AUGEN: “Augenlieder”, 375 Media, VÖ: 2. 10. 2020
Und erfreulicherweise gleich noch was Neues aus Graz. “Rote Augen” machen Musik, die sie als “urban retro” bezeichnen und die für uns ältere Semester durchaus Ankläge an die Spätphase der berühmt-berüchtigten “Neue Deutsche Welle” aufweist inklusive Bläser-Sounds. Aber eigentlich auch wieder gar nicht. Immer diese zwanghaften Bezüge. Gleich kommt wer mit Ska. Aber: “Rote Augen”? Nie gehört! Gut, aber die Leute, die kennt man. Haben sie doch schon bei den The Incredible Staggers, The Jigsaw Beggars und dem Sado Maso Guitar Club musiziert. Die Platte hört sich entspannt an, ganz besonders der “Dude” von Track Nr. 2. Aber warum denn plötzlich deutsche Songs? Sänger Matthias Krejan hat dafür eine einleuchtende Erklärung: Es geht um sein Leben. Und das spielt sich halt tendenziell in der Muttersprache ab. Krejan fügt an: “Ich versteh zum ersten Mal meine eigenen Texte.” Auch ein gutes Argument. Ein Konzeptalbum, das man gefälligst von vorne bis hinten anhören soll, sagt er noch. Und dass er es sehr sehr Scheiße findet, wenn alles glatt und superelegant daherkommt an heutiger Musik. So sind die “Augenlieder” denn auch wohltuend anders und irgendwie sehr echt. Nix für Ö3. Aber sehr für den Haubentaucher!
Die Albumpräsentationen wurden erst mal in den Winter verschoben. Näheres weiß Facebook…
ANT ANTIC: “Good Vids, Vile Times”, VÖ: 25. 9.2020
Tobias Koett macht dort weiter, wo er mit Marco Kleebauer im Duett 2016/2017 aufgehört hat. Mittlerweile lebt der Österreicher fix in Berlin, wo er am 10. 10. auch sein Album vorstellen sollte. Bitte erst mal im Netz schauen, ob das wirklich stattfindet, bevor ihr lostrippelt. Was gibt es auf der neuen Solo-Veröffentlichung zu hören: Entspannten (Electro-)Pop mit Einsprengseln wie R&B. Dass Coolness sich nicht mit Optimismus schlagen muss, dass es auch in diesem Herbst relativ fröhlich zugehen kann, all das zeigt die Platte, die für Feinspitze auch in buntem Vinyl aufgelegt wird. Nachdem die Dancefloors im Seuchenjahr erst mal weitgehend leer bleiben, ist “Good Vids” die perfekte Stimmungsmusik für deine Wohnzimmer-Disco. Nie zu simpel, nie zu vertrackt. Hier was zum Reinhören und -schauen…
KOMMANDO ELEFANT: “Seltene Elemente”, Las Vegas Records, VÖ 9. 10. 2020
Die Elefanten sind seit 12 Jahren eine der umtriebigsten Bands dieses Landes – und eigentlich sind sie mehr als das. Die neue Platte beginnt mit einer kleinen Abrechnung. Ob mit der eigenen kurzen Major-Vergangenheit oder mit dem musikalischen Mitbewerb sei dahingestellt: “Amateure”. Dann folgt ein Dutzend erstklassiger (Synthie-)Pop-Songs, die man idealerweise am Stück hört. Ja, die “Seltenen Elemente” sind auch irgendwie ein Konzeptalbum. Und das Kommando schreibt hinreißende Songs, früher hätte man gesagt in einer Liga mit Tocotronic oder Blumfeld, vielleicht sogar mit Elementen des Verbrechens. Persönliche Favoriten: Die charmante Liebes-Nummer “Ich will mir dir alt werden” und der Abstrudel-Song “Marathon”. Naja und die obligate Wien-Hymne hat auch Schwung. Und überhaupt super: “Lieber Liegen”. Geile Platte!
Live: 12. 10. Chelsea Wien!
JULIA LACHERSTORFER: “Spinnerin (a female narrative)”, VÖ 16. 10. 2020
Die Oberösterreicherin ist eine außergewöhnliche und sehr vielfältige Musikerin und Intendantin, die heuer schon mit dem “Hubert von Goisern Kulturpreis” ausgezeichnet wurde. Über ihre neue Platte sagt sie: “Die Lieder, die mir einst mein Großvater beigebracht hat, und die ich über alles liebe, sie kommen mir immer weniger leicht über die Lippen. Woran liegt das? Zwar bin ich mit Volksmusik aufgewachsen, dennoch habe ich Jahrzehnte gebraucht, um zu begreifen, dass ein Großteil der traditionellen Lieder, die ich seit Kindheitstagen singe, eine männliche Geschichte erzählen.” Also ging Lacherstofer auf die Suche nach weiblichen Perspektiven in der “Volksmusik”. Die dabei gefundenen Erzählungen und Erinnerungen verknüpft sie in “Spinnerin” zu 15 dichten Songs, die sie solo und in ebenso konzentrierter wie reduzierter Form aufführt. Eine Platte, die uns die Geschichten der Mütter und Großmütter näher bringt, die nicht nur über das Spinnen erzählt, sondern auch über Entbehrungen, Krieg, die Natur und das Leben. Sehr spannend!