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La Strada 2020/ 3 “The Vigil”

1 Stunde am Berg. Allein.

Die belgisch-australische Künstlerin Joanne Leigthon hatte die Idee (“The Graz Vigil”) und La Strada hatte den Berg dazu. Vom 1. 1. bis zum 31. 12. dieses Jahres wird Graz vom Schloßberg aus observiert. Die markante Holzbox unweit des Uhrturms folgt einem Design der Architekten Tovo+Jamil, die hiesige Variante gestaltete Alexander Krischner. 732 Grazer*innen haben das ganze Jahr über die Gelegenheit, die Stadt 1 Stunde zur Morgendämmerung und 1 Stunde zur Abenddämmerung intensiv in Augenschein zu nehmen. Die Warteliste ist beträchtlich, die Geschichte war rasch ausreserviert.

Sonntag Nachmittag. Von meiner Begleiterin Michaela werde ich in den Uhrturm geführt, dort hinterlasse ich mein Mobiltelefon und alles andere, das mich ablenken könnte. Dann pünktlich um 17.31 darf ich in die Box. 1 Stunde lang schaue ich mir in aller Ruhe Graz an. Okay, bis auf ein bisschen Gequake von Jugendlichen unter meiner Beobachtungsstation, aber sonst ist echt ruhig, nur der Wind pfeift. Was lerne ich? Graz ist ganz schön dicht. Ich erkenne viele Häuser wieder, andere finde ich hingegen nicht. Besonders gut sieht man das Rathaus und das viel diskutierte Dach von Kastner & Öhler, das ob der Lacken aber immerhin eine ideale Vogeltränke darstellt. Überhaupt scheinen mir die Krähen die wahren Herrscher über die Stadt zu sein. Sie lassen sich im Wind tragen, zeigen waghalsige Manöver und landen dann auf schmalen Dachfirsten. Drei Flugzeuge, die Richtung Thalerhof fliegen, erscheinen hingegen als lästige Störenfriede.

Graz ist eine bunte Mischung aus Repräsentationsbauten im Zentrum, einigen architektonischen Highlights und zahlreichen hässlichen Würfeln in grauenhaften Farben. Der Hauptplatz ist am Sonntag abend weitgehend ausgestorben, dafür brummt der Verkehr entlang der CvH. Der Blick über die Stadt beruhigt, er macht aber auch nachdenklich.

Am Ende meiner Stunde führt mich Michaela wieder in den Uhrturm, wo ich in einem Buch meine Gedanken niederschreibe, wie hunderte vor mir. Die Sammlung ist Teil des Projekts und sicher spannend zu lesen. Wer noch auf der Liste steht, darf sich freuen, “The Vigil” ist eine Aktion, die einen bereichert – und die einem auch klar signalisiert: Schalt zwischendurch ab, schau vor dich hin, sei aufmerksam, gib Ruhe.

Das Festival ist damit immer noch nicht vorbei: www.lastrada.at/

Und der nächste Vigil? Wird in München zu sehen sein: www.wldn.fr

Fotos: haubentaucher.at 2020

 

https://vigil.lastrada.at/kreation/

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