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Buch des Monats Romane

Debut-Roman des Monats September

STEPHAN ROISS: “Triceratops”,
Kremayr & Scheriau 2020

 

„Also gut, ich zähle sie dir auf. Es sind neun. Niederösterreich, Wien, Oberösterreich, Burgenland, Kärnten, Steiermark, Salzburg, Tirol, Vorarlberg. Welche hast du dir gemerkt?
Niederlande.“

Das schreibt der Autor und Vokalist Stephan Roiss in seinem Debut-Roman „Triceratops“. Und gleich vorweg: Witziger wird es nicht mehr. Aber das war wohl auch nicht das Ziel.

Vielleicht kennt der eine oder die andere aus dem Publikum den zuweilen in Graz weilenden  Schriftsteller und Musiker persönlich oder vielleicht als Bandmitglied von „Äffchen & Craigs“ und „Fang den Berg“. Oder aber aufgrund seiner Hörspiele, die im SWR, MDR oder Deutschlandradio Kultur ausgestrahlt werden. Roiss studierte in Leipzig und erhielt bereits einige namhafte Auszeichnungen.

„Triceratops“ lässt auf den ersten Blick einen typischen Familienroman im Milieu der österreichischen 1980er-Jahre vermuten. Wenn dann noch ein frustrierter Vater und eine nervenkranke Mutter die Eltern des Hauptdarstellers sind, wäre die 08/15-Familientragödie mit Vorverkaufsrecht für eine ORF-Verfilmung schon perfekt angerichtet.

Aber dann gibt es da doch mehr, viel mehr in diesem Buch: Roiss gelingt es, eine persönliche Situation in den Farben grau, dunkelgrau bis schwarz zu beschreiben. Auf subtile und packende Weise schafft er es, einen verstörenden Blick auf die Welt aus Sicht eines Kindes in klarer und zorniger Sprache zu beschreiben. Dieser kleine Junge malt Monster in Schulhefte, mag Drachen und spricht von sich selbst immerfort als „WIR“. So begeben wir uns gemeinsam auf die Reise durch Erziehung, Angst und Ordnung – im doppelten Sinn. Die Geschichte wird mit interessanten Charakteren (z. B. die Aschbach-Großmutter oder die blauhaarige Helix) angereichert, die sich im weiteren Verlauf des Buchs entwickeln und die Hauptakteure ergänzen. Speziell die komprimierten Kindheitserinnerungen im ersten Drittel des Romans sind beeindruckend und bringen mit wenig Worten vieles auf den Punkt.

Es ist in sprachlicher Hinsicht kein typischer österreichischer Familien-Roman, weil er die typischen stilistischen Anleihen (siehe Haas & Co.) vermeidet. Der Roman brütet in sich – nachdenklich – und reift zugleich. „Triceratops“ bleibt so auch ohne den Hang, etwas beweisen zu müssen, in Erinnerung. Das Buch orientiert sich eindeutig an den Stärken von Stephan Roiss: Er ist ein motivierter und mutiger Erzähler. Aktuell ist „Triceratops“ für den Deutschen Buchpreis 2020 nominiert. Wir wünschen gutes Gelingen.

Text und Foto: aL

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