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Diverses Musik Videos

Tonträger des Monats Mai / INT

MAPLE & RYE: “For Everything”, Icons Creating Evil Art, VÖ: 29. Mai 2020

Beginnen wir in Schweden. Gustav Rybo-Molin, Leo Lönnroth, Milton Lönnroth und Henrik Bielste machen seit 2016 herzzerreißenden Indie-Folk-Pop, der nicht nur in ihrer Heimatstadt Göteborg für Furore sorgt. Heuer hätte das große Jahr werden können mit dem Album im Gepäck auf Skandinavien-Tour. Schneckn. Aber die Platte hat es trotzdem zu uns geschafft und sie ist so schööööön. Ja, auch das Cover, aber vor allem die Songs, die uns stellenweise an die großen Magnetic Fields erinnern. Und dann auch wieder nicht. “…es liegt an dir, zuzuhören, um zu entscheiden, was es für dich bedeutet”, zitiert der Pressetext leicht kryptisch die Band. Wir wissen schon, was es uns bedeutet: Die Auszeichnung als eines der schönsten Alben des Jahres bis hierher. Verbunden mit der Hoffnung, dass es die vier Herren irgendwann (möglichst bald) nach Österreich schaffen. Von uns auch gern im kleinsten Rahmen…

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JUNGLELYD: Ohne Titel. Sounds of Subterrania!, VÖ 1. 5. 2020

Wir bleiben noch in Skandinavien. Hä? Das ist ein astreines hochgepitchtes Cumbia-Album, Alter. Was faselst du da vom hohen Norden?

Oh doch, der dänische DJ Kenneth Rasmussen hat sich nämlich in den Sound aus Kolumbien verliebt und mit einem Haufen Gleichgesinnter und zwei Gästen aus Lateinamerika ein total irres Album aufgenommen. Das ist Dancefloor de luxe, wie er in vielen Latino-Metropolen aus 1000 Autoradios dröhnt. Aber halt nur fast und auch wieder gar nicht. Denn Rasmussen geht es nicht nur um flotte Fröhlichkeit, sondern um eine gewissenhafte Auseinandersetzung mit einer Musik, die seit Jahrzehnten Basis für Rock, Hiphop, Zouk und anderes ist.

Cumbia, das war schon immer eine der großen Lieben des Haubentauchers. Aber so lässig haben wir das schon lange nicht mehr gehört. 11 abgekochte Songs, die selbst das trägste Dänen-Bein zum Schwingen bringen. Das ist jetzt schon unsere Sommerplatte 2020. Kann passieren, was will.

Und nur für den Fall, dass da draußen irgendwo DJs sind: Legt euch diese Scheibe zu und erlebt die magische Wirkung von Junglelyd!

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AUSTRA: “HiRUDiN”, Domino Records, VÖ 1. 5. 2020

Es ist höchste Zeit für mehr Präsenz von Frauen hier in dieser Rubrik. Austra gibt auf Facebook als aktuelle Homebase Toronto an. Im Pressetext heißt es, sie habe im Zuge des Entstehungsprozesses dieser Platte von ziemlich vielem Abschied genommen.

Austra, das haben wir dann auch noch recherchiert, ist Katie Stelmanis, schon seit 10 Jahren im Geschäft, aber uns halt leider bisher irgendwie entgangen außer ein paar Songs, die wir ohne großes Nachdenken konsumiert haben. Und trotz zweier Alben, die es auch in Österreich unter die Top 50 geschafft haben.

Viel mehr gibt es erst mal nicht zu erfahren, das liegt leider voll im Trend. Möglichst viele Fotos auf Instagram, ein lässiges Video auf der Website, aber keine aussagekräftige Bio weit und breit. Egal, “HiRUDiN” ist eine Weltklasse-Platte. Die Stimme schlägt alles, was wir heuer gehört haben. Kein Wunder: Ms. Stelmanis hat eine solide klassische Ausbildung (das haben wir auch recherchiert) und sicher Zusatzkurse im Sirenen-Gesang absolviert. Manchmal übertreibt sie es dann auch ein bisschen mit dem hochgetunten Überton (speziell im Song “Risk it”) aber ansonsten ist dieses Album ein Wahnsinn. Und wie das halt bei Sirenen so ist: Jetzt sind wir Austra verfallen mit Herz und Hirn, Haut und Haar.

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IAN CHANG: “Belonging”, City Slang, VÖ 24. 4. 2020

Ian Chang (ein Drittel von Song Lux) ist ein begnadeter Netzwerker und einer der interessantesten Schlagzeuger der Gegenwart. Sehr viel Lust zur Improvisation kennzeichnet seine bisherige Karriere und damit logischerweise auch dieses Album.

So sagt man, selbst die drei Songs, die mit Vocals ausgestattet sind, seien so eigentlich gar nicht geplant gewesen. Gerade die sind es aber, die all den Drum- und Electro-Elementen eine gewaltige Dosis Leben einhauchen. Da wäre etwa “Comfort me” mit Kiah Victoria, das zu einem souligen Monster-Track wird, in den man sich in der ersten Sekunde verliebt. In Summe sind die 9 Songs, die Ian Chang da rauswuchtet, richtige Bretter, die das Hirn in wenigen Augenblicken durcheinander wirbeln – zumal bei gehobener Lautstärke. Und ehrlich, wir sagen das sonst nie, aber: Hört euch das Teil mal mit einem guten Kopfhörer an…Waaaaapppp, waaaapppp, waaaaaaaaa wappp wappp wapppp!

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ÖSTRO 430: “Keine Krise kann mich schocken”, Tapete Records, VÖ 8. 5. 2020

Östro 430? Ja, das war eine Frauen-Punkband aus Düsseldorf. 1979 gegründet, 1980 von der legendären Band Fehlfarben entdeckt und als Vorgruppe für deren Deutschland-Tournee engagiert.1984 war es dann auch schon wieder vorbei mit dem Spaß.

Vier Jahrzehnte später sind die Gründerinnen Martina Weith und Bettina Flörchinger nach einer ersten Re-Union 1999 endgültig wieder auf den Geschmack gekommen. Nach dieser sorgfältig zusammengestellten Doppel-LP mit dem enorm passenden Titel “Keine Krise kann mich schocken” sind auch Live-Konzerte geplant. Mal schauen…

Wie hört sich so historisches Material aus den frühen 1980er Jahren aber heute an? Irgendwie sehr cool. Songtitel wie “Dallas”, “Triebtäter”, “Randale und Bier” oder “Plastikwelt” weisen schon den Weg. Irgendwo zwischen der einen Humpe-Schwester mit IDEAL (Annette!), X-Ray Spex, der sehr jungen Nina Hagen, allen möglichen NDW-Sounds und frühem Fun-Punk sind die 24 Lieder angesiedelt.

Endlich zahlt es sich wieder aus, alt zu sein und genau zu wissen, warum hier der grausame JR Ewing so hingebungsvoll besungen wird (samt lässigem Cover der Dallas-Signation). Das Klimper-E-Piano, das immer wieder sehr selbstbewusst auftretende Sax und eine Sängerin, die nicht zum Scherzen aufgelegt ist, all das macht die Platte zu einem Juwel aus der mehr oder minder guten alten BRD. Punk ohne Gitarre, ja auch das war damals möglich. Aus pop-feministischer Sicht ist das Doppel-Album übrigens auch sehr interessant. Die Themen waren damals weitgehend die selben wie heute, die Offenheit aber erstaunt. Wie sagten Östro selbst über ihren Stil: “Einfach, aber grob”. Ein veritables Sammlerstück.

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