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Diverses Musik Videos

Tonträger des Monats April / INT.

THREE FOR SILVER: “Red Moon”, VÖ 10. 4.

Es trifft alle Bands richtig hart, aber wahrscheinlich kaum jemanden so wie dieses Trio aus Portland. Seit 2017 tourten sie ohne Pause durch die (europäische) Weltgeschichte, jetzt ist erst einmal Finito. Dabei wäre der Tourkalender von März bis Mai extrem dicht gefüllt gewesen. Lucas Warford (Vocals, Bass), Willo Sertain (Vocals, Akkordion) und Corwin Zekley (Violine/Mandoline) haben aber glücklicherweise für die Zeit daheim eine fetzige Folk-Rock-Platte zusammengestellt, die gewaltig einfährt. Klar, zuerst denkt man wie die Kollegas vom “Standard” kurz an Tom Waits, wenn man den Gesang hört, aber das Album ist in keiner Weise retro, sondern eine bunte Mischung aus Sounds aus der halben Welt. Extrem lässig etwa die Nummer “Yati Fumaro Kokaini”, die nicht etwa japanisch, sondern arabisch inspiert ist. Ein starkes Lebenszeichen, das Vorfreude bereitet auf die Zeit, in der wir vielleicht doch wieder Konzerte sehen werden. Sobald es soweit ist: Schaut euch nach Three for Silver um!

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THE OCELOTS: „Started to Wonder“, VÖ 27. 3. 2020

The Ocelots setzen mit „Started to Wonder“ ihren Kurs des amerikanisch geprägten Folks fort, den man schon von ihren Singles kennt. Bereits das Cover inszeniert die Naturverbundenheit der irischen Zwillingsbrüder Brandon und Ashely Watson, die da im düsteren Wald unter bunten Girlanden und Lichterketten mit dem Banjo musizieren. Zugleich stimmt der nebelige Ort und die ernsten Blick der beiden auf die melancholischen Lieder ein, die von alten Folk-Rock-Elementen geprägt sind. Ende März feierte das Album auf einem australischen Radiosender Premiere, am 27. 3. erschien es offiziell und pünktlich dazu gaben die Brüder ein Live-Konzert via Instagram aus ihrem Zimmer in Queensland, wo sie aufgrund der Krise noch darauf warten, heimreisen zu können. In der ländlichen australischen Gegend endete die in Europa begonnene Tour, während der The Ocelots ihre Songs aufnahmen. Das 22 Jahre junge Duo hinterlässt mit dem Album ein harmonisches Werk aus neun Songs, gezeichnet von Zweigesängen und untermalt von Mundharmonika, Akustikgitarre und Klavier. Im ersten Song mit dem Titel „Gold“ geht es übrigens darum, welche Erwartungen die zwei in ihren Dublin-Besuch gesteckt hatten, der dann bitter enttäuscht wurde: Sie mochten die Stadt einfach nicht. Prädikat: Potenzielle Lieblingsband für die kommenden Jahre!

(Besprechung: Ms. Ocelot, Vienna)

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WILMA ARCHER: “A Western Circular”, Weird World / Goodtogo, VÖ 3. 4. 2020

Der gute Will Archer aus Newcastle spielt ganz gern verstecken. So präsentierte er sich unter anderem auch schon unter dem Etikett “Slime”, im Duo als eine Hälfte von Wilma Vritra und solo als Wilma Archer. Seit 2010/2011 stemmt er da magische Sounds in das Universum und scheint sich nicht wirklich darum zu kümmern, ob ihn das reich und berühmt macht. “A Western Circular” sollte zumindest Zweiteres ändern, denn die Platte ist ein Traum. Kein Wunder, der Mann hat fast 5 Jahre daran geschraubt. Besonders die Kooperation mit der Violinistin und Sängerin Sudan Archives ist sensationell. Wie soll man das ganze nennen? Soul? Electronic? Alt-Pop? Alles richtig, alles falsch. Archer lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Der Mann ist ein verdammtes kreatives Genie und das, meine Lieben, ist eine der besten Platten, die wir 2020 bisher gehört haben! Bonus für echte Connaisseure: das Ding gibt es auch auf Vinyl. Reinhören?

Foto: Will Archer / © Steve Gullick

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THE RHYMES: “The Rhymes”, VÖ 17. 4. 2020

Nach all der Coolness aus UK und den USA haben wir hier was für Fans der geradlinigen Rockmusik. The Rhymes aus Schweden bringen nach ein paar Singles und vielen vielen mitreißenden Live-Auftritten in der Gegend rund um Uppsala nun (endlich!) ein erstes Album auf den leider nicht mehr wirklich existierenden Markt. Die vier Herren Adam, Erik, Tomas und Oscar machen einfach das, was man zwischendurch auch machen sollte: Nicht verzagen, drauf los spielen. Das Album, das der Einheit halber den Namen der Band trägt, bringt uns acht Tracks, die so was wie Hymnen sind. Auf die Liebe, die Freiheit und die kleine Stadt Säffle in Värmland. Die Band ist nämlich weniger auf Bier, Biker-Romantik und Lederjacken gebürstet, sondern auf Engagement und Solidarität. Sänger Tomas war vier Jahre lang im Stadtrat von Uppsala aktiv, um FeministInnen und die LGBT-Community zu supporten. So organisierte er auch eine Gay-Pride-Veranstaltung in Säffle. Wenn U2 Schweden gewesen wären und vor allem keine selbstverliebten Poser, dann wäre unter Umständen so was rausgekommen. Das schönste Stück: “Viral”, ein zartharter Song über die Liebe mit der eindeutigen Songzeile: “let’s fuck it up”.

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A CHOIR OF GHOSTS: “An Ounce of Gold”, Greywood Records VÖ 3. 4. 2020

Wenn wir schon in Schweden sind, könnten wir ja bei unserem alten Kumpel James Auger vorbeischauen. Der hat dort im finstren Wald einen Chor voller Geister formiert. Wobei man das nicht unterschätzen sollte: Kommt zwar erst einmal als netter skandinavischer Folk-Pop daher, mit Gitarre und Lagerfeuer. Aber Auger hat auch Bands wie Nirvana inhaliert und wenn er über Sünden singt, dann will das mittlerweile ein knapp siebenstelliges Publikum auf Spotify hören.Die 11 Songs drehen sich (wie passend!) um die Sehnsucht nach Zuhause, um das Alleinsein, um die Zeit, die verfliegt. Eine wunderschöne Platte, mit deren Erwerb man sich eindeutig vom Mainstream-Geschmack abgrenzen kann.

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HALEY JOHNSEN: “Live from Abbey Road”, VÖ 27. 3. 2020

Zum Finale eine Live-Platte aus dem Studio? Geht! Die Frau, die auf dem Plattencover wie eine Folk-Sängerin aus den 60ern gekleidet ist, hat eine Weltklasse-Stimme, die einem die Nackenhaare schon nach wenigen Sekunden aufstellt. In Oregon kennt man Haley Johnsen seit geraumer Zeit wegen ihrer Mischung aus Soul, klassischem Rock, Country und Pop. Der Einfachheit halber hat sie auch gleich alles selbst gemacht: Stimme, Gitarre, E-Gitarre, Tambourin, Stomp Box. Gute 5 Stunden hat sie laut CD-Cover im legendären Studio One zugebracht, um die 8 Songs einzuspielen, die alle unter die Haut gehen. Eine wunderbar altmodische – oder nennen wir es höflicher: klassische – Platte, die sich super machen würde im Auto-CD-Player auf der Landstraße. Aber die wahren Abenteuer sind ja in der Birne, also auflegen und wegträumen.

Foto: © Lauren Simpson

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