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Buch des Monats

Entdeckung des Monats: Die Unmöglichkeit

Daniel Weissenbach: „Die Unmöglichkeit“. Roman, edition zzoo, 2018

„Aber unsere Beziehung entpuppte sich von Anfang an als schwierig; sterbensbleich wie zwei im Frühlingsfrost geschlüpfte Larven; wie zwei Glühbirnen in einem Muranoluster, die durchbrannten, ja in Scherben platzten, kaum, dass man im Dunkeln den Schalter gedrückt hatte. Stets auf den Beinen, die sich stadtein- und auswärts wundliefen; den Kopf verdreht nach Anna, bis sie endlich abhebt, endlich aufmacht, den vagabundierenden Schmutzfink endlich einseift, abputzt und windelweich klopft“,

schreibt Autor, Sänger und Texter Daniel Weissenbach in seinem Buch „Die Unmöglichkeit“ und zeigt damit, worauf sich die Leserschaft hier einlassen wird.

Gleich vorweg: Dieses Buch ist nicht einfach, es verlangt den LeserInnen Ausdauer ab. Es ist kein klassischer Liebesroman oder eine Beziehungsgeschichte im herkömmlichen Schreibstil, wie wir es von Alex Capus, Ian McEwan oder erst unlängst von Jennifer Clement kennen, sondern ein ausdruckstarkes Manuskript, quer durch Depression und Ausweglosigkeit, in größtenteils überschwänglicher und preziöser Sprache. Ob dieses Werk, wie angekündigt, ein „kräftiges Lebenszeichen der österreichischen Avantgardeliteratur“ ist, wird sich weisen. Einerseits bestätigen Weissenbachs Fabulierkunst und die ausgeschmückte Sprache (siehe Einleitungstext) diese Bewerbung des Werks – anderseits erreicht dieser progressive Stil wohl nur ein speziell interessiertes Publikum.

Autor Daniel Weissenbach wurde 1980 in Zams in Tirol geboren und schreibt neben Romanen auch Texte für seine Band Törleß, in der er auch als Sänger tätig ist. Das aktuelle Album „Pan Pan Pan“ erschien 2018 auf pumpkin records, wobei auf dem Debütalbum musikalisch der Gesang dominiert und die Musik sehr reduziert ist. Die Lieder wirken in geringem Maße ausproduziert, klingen wie live eingespielt und gewinnen gerade deshalb an Kraft. Diese sprachliche Dominanz dürfte auch die größte Ähnlichkeit zwischen Weissenbachs musikalischem und literarischem Schaffen sein.

„Die Unmöglichkeit“ ist kein trauriger Clown, der sich abmüht, die Tragik des Lebens mit kathartischem Humor ein wenig erträglicher zu machen. Eher erinnert der Text an einen Mann an der Bar, den wir alle aus unserer Lieblingskneipe kennen, der reichlich trinkt und über das Leben sinniert. Manchmal grenzgenial, traurig und komisch zugleich – unterm Strich krank, strapaziös und abgezehrt. Damit kein Missverständnis entsteht: Einen Sog entwickelt das Buch jedenfalls, nur eben einen tragischen.

Nachdem der Protagonist Hinrich (nicht Heinrich) vor seiner Familie aus der Tiroler Provinz nach Wien flüchtet, trifft er auf eine geheimnisvolle Frau namens Anna. Im anfänglichen Liebesrausch verliert er in der Hauptstadt schnell den Boden unter den Füßen und landet schließlich in einer psychiatrischen Anstalt in Hall. Zwischen Isolation und Depression versucht Hinrich, die Beziehung zu Anna in der Psychiatrie aufzuarbeiten und sich aus dem heimtückischen Netz der Gefühle für sie zu lösen. Immer wieder finden sich Anmerkungen und ein zur Hauptgeschichte paralleler Handlungsstrang zum österreichischen Dichter des Expressionismus Georg Trakl (1887 – 1914). Ähnlichkeiten sind festzustellen und wahrscheinlich beabsichtigt. Der Fokus der weiteren Erzählung flacht dann ab. „Die Unmöglichkeit“ kreist auf 239 Seiten verstört, langatmig, schrecklich, komisch, seltsam und eigenartig irgendwo zwischen Irrsinn und Irrwitz und randaliert gleichzeitig wie ein trunkener Rowdy in den Köpfen der Leserinnen und Leser.

Daniel Weissenbach überrascht in seinem Roman mit Raffinesse, Empfindsamkeit, Leiden, Humor und Mut. Diese Geschichte hinterlässt einen üblen Beigeschmack, erzeugt Geisterbahngedanken, die auch bei Regen bleiben, und nährt die Tristesse im Gemüt der Leserinnen und Leser. Seine Beschreibungen erinnern manchmal an Jakob Nolte („Schreckliche Gewalten“), seine ausgeschmückte Sprache anfangs an Valerie Fritsch („Winters Garten“) und nicht zu vergessen: „Avantgardisten sind Leute, die nicht genau wissen, wo sie hinwollen, aber als erste da sind.“ (Romain Gary)

Text und Foto: aL

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