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Musik

Tonträger des Monats Dezember / Int.

HALE HEYNDERICKX: “I need to start a garden”, Mama Bird Recording 2018

Schlafmützen, wir. Gerade tourte sie durch Österreich und Deutschland, die Platte ist überhaupt schon im Frühjahr erschienen. Wir haben beides verpennt und überlegen uns jetzt ernsthaft, ob wir HH in die Schweiz nachreisen sollten – für alle Interessierten: Mi 05.12. Bogen F in Zürich, Do 06.12 L’ AMALGAME in Yverdon oder Fr 07.12. Le Port Franc in Sion.

Warum? Weil “I need to start” ungefähr das phantastischste Album seit langem ist. Die Frau fängt mit den ersten Takten von “No face” an und schon sind wir ihr und ihrer Musik verfallen. Was für eine Stimme, was für Songs, was für eine Lawine an Emotionen. Hale Heynderickx wohnt mittlerweile in Portland, Oregon (eh klar), stammt aber aus einer philippinischen Familie und ist ziemlich beschäftigt mit soziokulturellen und existenziellen Fragen, die sich auch durch das Album ziehen. Allerdings bleibt sie auf einer persönlichen Ebene, in bester Singer-Songwriter-Tradition.

Und auch wenn vielleicht vielen der (ja auch nicht ganz einfach zu merkende) Name noch nichts sagt, im Netz ist sie bereits groß, sehr groß. 160.000 Views auf Youtube, gut 300.000 monatliche Aufrufe auf Spotify. Reich wird man damit nicht, wohl aber hoffentlich berühmt. Eine wunderschöne Platte, die man sich oder auch anderen vielleicht auch dringend unter den Baum legen sollte. Als kleines Geschenk haben wir hier noch ein Video für euch ihr Leser und -innen…

JULIA HOLTER: “Aviary”, Domino Records 2018

Die nächste Frau, die einem die Gänsehaut über den Rücken jagd – und doch ganz anders unterwegs ist als Hale Heynderickx.

Julia Holter, Komponistin aus L.A. spricht selbst von “Kakophonie”, wenn sie ihr Album beschreibt. Von der ersten Nummer aber nicht schrecken lassen, Aviary ist zwar gegen den Strich gebürstet, aber vor allem sehr hörbar und hörenswert. 15 Songs, die dort dortsetzen, wo Holters preisgekrönter Longplayer (u.a. Rolling Stone Album des Jahres 2015) “Have You in My Wilderness” aufgehört hat.

Man sagt, die neue Platte sei vom Blade Runner inspiriert. In Wahrheit ist sie ein spannendes Sammelsurium von transzendentalen Klängen, Dudelsack, Rock bis hin zu Jazz und Impro. Soundtrack zu einem Kopfkino der Extraklasse und sicher eines der außergewöhnlichsten Alben des Jahres. Prädikat: Wertvoll.


CHEIBE BALAGAN: “Sumer in Odes”, EP Tourbo Music 2018

Klezmer aus Zürich? Sechs herausragende Schweizer Musiker und dazu mit Hitomi  Niikura eine Cellistin aus Tokio, das klingt erst einmal spannend bis seltsam, funktioniert aber bestens. Und zwar auf dieser Platte ebenso wie live. Cheibe Balagan bewies letzteres nicht nur beim renommierten Montreux Jazz Festival, sondern auch bei Tour-Auftritten in Japan und der Schweiz.

Der Song „Toscana 3“ ist Teil des Soundtracks von „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ nach dem Bestseller von Thomas Meyer – Regie: Michael Steiner. Ungezüngelte Lebenslust gepaart mit Melancholie. Tanzmusik, aber mit ein bisschen mehr Tiefgang als sich das die meisten Bands vorstellen können oder wollen. Ein Fest!

CALEXICO:”The Black Light. 20th Anniversary Limited”, City Slang 2018

OMG, wie “reif” sind wir geworden. Wir können uns noch sehr gut an diese Platte erinnern mit dem stylishen Ami-Auto auf dem Cover und einer für Calexico auch in der Retrospektive betrachtet geradezu revolutionären Breite an Sounds.

“The Black Light” erschien im November 1998 und erlebt jetzt eine wunderbare Auferstehung. Mit einer Reihe neuer Songs, ein paar davon bisher nie auf Vinyl gepresst, ist die Doppel-LP opulent und darüber hinaus in durchsichtig oder schwarz erhältlich. Nicht nur einfach ein superfeines Sammlerstück, sondern ein wichtiger Teil der US-Musikgeschichte. Es ist faszinierend zu erleben, wie weit damals die Band um Joey Burns und John Convertino schon war. In diesem frühen Meisterwerk ist die Entwicklung zu erahnen, zugleich stehen aber noch so viele Wege offen, so viele Einflüsse und Strömungen sind da. Country trifft auf Jazz und der Rock zeigt dem Blues, wo die Klapperschlange zuhause ist. Ein prachtvolles Ding, das sich auch unter dem Tannenbaum exzellent machen würde.
Prädikat: Must have!

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