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Buch des Monats

Geschichtsbuch des Monats Dezember

Gerhard Zeilinger: „Überleben. Der Gürtel des Walter Fantl“, erschienen bei Kremayr & Scheriau, Oktober 2018

Gerhard Zeilinger (*1964 in Amstetten) ist Historiker, Lektor, Autor und Literaturwissenschaftler. Die Kombination dieser Berufe macht es wohl, dass „Überleben“ den Holocaust so nachvollziehbar wie möglich erzählt. Das Buch behandelt in dokumentarisch-narrativer Form das Leben des Juden Walter Fantl-Brumlik während des Zweiten Weltkrieges. Er hat als einer von wenigen den Holocaust überlebt und er ist einer der wenigen heute noch lebenden Zeitzeugen.

Beim Lesen wird schnell klar: Dies ist kein Buch, das eine auch nur halbwegs sensible Leseratte an einem Tag ausliest. Nicht, weil es nicht spannend wäre, sondern weil es emotional ganz schön fordernd sein kann. Der Holocaust gilt als einer der fürchterlichsten Ereignisse der Geschichte. Aber auch, wenn man die Fakten kennt, ist es schwierig, sich das alles vorzustellen. 
Der Autor lässt mittels Zitaten zwischendurch immer wieder Walter Fantl-Brumlik selbst zu Wort kommen.

Dadurch ist der Protagonist ständig präsent und das Geschriebene kommt einem umso näher. Dass er Jude ist, wurde ihm erst in der 3. Klasse Volksschule bewusst. Er erlebte eine wohlbehütete Kindheit. Ab 1938, Walter war gerade 14 Jahre alt, änderte sich alles. 
Nach und nach wird verständlich, warum selbst die Opfer des Holocaust zuweilen moralisch abstumpften. Sie sehen Rauch aufsteigen — die letzte visuelle Erscheinung von Familienmitgliedern — und obwohl ihnen gesagt wird, was das ist, begreifen sie erst viel später. Neben all den Grausamkeiten ist für nichts mehr Platz, nicht einmal für Gefühle. Alles, was Walter Fantl-Brumlik von dieser Zeit bleibt, sind furchtbare Erinnerungen und sein breiter Ledergürtel — sein Überlebenssymbol. Alles andere wurde ihm abgenommen. 
Der Autor schafft es mit diesem Werk, beim Lesen einen Zwiespalt hervorzurufen: das Buch nicht mehr aus Hand legen zu können und gleichzeitig dringend eine Pause davon zu brauchen. „Überleben“ ist eine ideale Lektüre für Laien, die sich fundiertes Wissen über den Holocaust aneignen möchten, aber auch bereits auf dem Gebiet Belesene wird die Story nicht loslassen.

Seit 2001 sprach Zeilinger oft mit Walter Fantl-Brumlik über die damaligen Geschehnisse. Er studierte seine Familiendokumente, Fotos und Briefe. Dieses Buch entstand unter anderem aus einer gelungenen Mischung aus diesen Gesprächen, Interviews mit Zeitzeugen und genauer Recherche der Literatur.

Tipp: am 21. 11. um 19.00 präsentiert der Autor sein Buch in der Buchhandlung Frick.

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