Irgendein magisches Datum muss dieser 6. 6. 2025 sein. Denn es erscheinen an diesem Tag ungefähr drölfzigtausend heimische Platten. Und ganz ehrlich: Es wird immer schwerer, hier noch mitzuhalten. Aber wir wollen uns nicht beschweren. Hier also unsere monatliche Bestenliste. Viel Vergnügen!
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Bruch: „The Harbour of the Broken Hearted“, Cut Surface & Trost Records VÖ 6. 6. 2025
Vor kurzem war er in Graz im Café Wolf. Dennoch werden sich immer noch viele fragen: Wer zum Teufel ist Bruch? Philipp Hanich ist Musiker und Visual Artist und das werdet ihr am unten stehenden Video merken. Und an der Platte. Die hat er nämlich allein aufgenommen und auch gleich das Artwork entworfen. Und wie klingt er, der Sound aus dem Hafen der zerbrochenen Herzen? Mal verschwommen, mal glasklar. Wie Leonard Cohens jüngerer Bruder, wenn der in Wien am Donaukanal gestrandet wär. Der gute alte Fritz Ostermayer sagte vor gar nicht so langer Zeit über den Bruch: „So geht die Essenz von archaischem Rock’n’Roll-Hall in synthetischen Kathedralen“ und wie immer hat er einhundert Prozent recht. Bevor wir euch da jetzt noch irgendwas daher schwafeln, sagen wir es gerade heraus: Kauft euch das! Und geht zum Bruch, wenn er in eurer Nähe ist. Wien zum Beispiel: 11. 6. im rhiz.
Foto: Steffen Schmid
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Jeansboy: „Cruise Ship Selection I“, VÖ 21. 5. 2025
Als der Jeansboy hier im Februar 2024 erstmals auftauchte, sprachen wir Superschlauen noch von „Pet Shop Boys und Marc Almond“. Aber das war nicht mehr als eine Zwischenstation auf dem Weg nach oben (oder nach „zwischen allen Stühlen“, wie man will). Das neue Album beginnt mit gut abgehangenem Surf, geht weiter mit schrulligem 70er-Psychedelic und am Ende haben wir mit dem Fucking Streaming aufgehört und uns das gesamte Pressematerial runtergeladen, obwohl die wav-Files an die 1 GB fett sind. Weil: Der Jeansboy, der ja eigentlich kein Geheimtipp mehr ist, unbedingt gehört werden sollte. Und zwar von vorne bis hinten und das möglichst oft und ausdauernd. Eine richtig geile Platte. Eine Kreuzfahrt de luxe. Muss man noch etwas darüber wissen? Ja: „Inocenti Mara und ich haben in einem Studio aus den Siebzigern innerhalb einer Woche das ganze Album auf analogem Band aufgenommen – unter anderem mit Sofie Royer, Johannes Madl und Markus Windisch.“ Danke, Lorenz, dass du so was machst und bei der Verteilung auch an uns denkst. Gute Winde und keine Flaute, allzeit!
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wolpertinger. „future, perfect, future“, Seayou Records VÖ 6. 6. 2025
Das hier ist ein Debut und was für eines. Aber Moment, was ist noch schnell ein Wolper… was? Da kann der Pressetext helfen: „Mal findet sich ein Hirschgeweih auf einem Hasenhaupt, mal ein Entenschnabel am Eichhörnchenkopf oder eine Hechtflosse dort, wo eigentlich ein Fuß sein sollte. Der Wolpertinger ist ein Fabel- und Mischwesen, das sich aus unterschiedlichen Teilen zahlreicher Tiere zusammensetzt.“ In diesem Fall allerdings ist das wild zusammengewürfelte Viech eine junge Band aus Wien. Namentlich: Lukas Maximilian Buchberger (Rhythmusgitarre, Gesang), Daniel Mahkovec (Schlagzeug, Klavier), Maximilian Ott (Leadgitarre) und Laurenz Stelzl (Kontrabass). Das Quartett spielt harten, knochentrockenen Rock, weiß aber auch mit Saxofon oder Kalimba umzugehen. Das kann in Richtung Jazz abbiegen. Muss es aber nicht zwangsweise. Die Release-Show ist am 6. 6. 25 im Kramladen, Wien. Wann auch sonst?
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Styronauten: „Norm“ (Doppelalbum)
Die Styronauten sind Heinz Hoppaus (keys), David Kuhness (drums), Roland Renner (bass), Werner Schmierdorfer (git) – ein Instrumentalquartett aus Graz. Oder wie es der Pressemensch so launig ausdrückt: „Deine Locals ohne Vocals“. Die Herrschaften feiern übrigens heuer ihr 15-jähriges Bestehen, wenn wir uns nicht verrechnet haben. Wenn Du in diesem Monat auf der Suche nach einem echt originellen Album bist, dann hast du es hiermit gefunden. Die Songs haben einen ordentlichen Drive, sie fordern aber auch Aufmerksamkeit. Da kommt der Angelo Badalamenti um die Ecke. Und zwei Nummern später sind wir in einem abgedrehten Zirkus gefangen. Schon lange nichts mehr so Mitreißend-Stimmloses gehört. Live am 6. 6. im Orpheum Graz (no na) und am 14. 6. im Chelsea Wien.
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Deasel Weasel: „Duty Free Sessions“ (Doppel-EP), Rauschgift Rosie Records VÖ Mai 2025
Apropos Graz: Auch diese Partie ist aus der Hauptstadt von Architektur, Jazz, Fußball und Kernöl-Kulinarik. Aber warum Doppel-EP? Weil das ganze in zwei Sessions mit beachtlichen drei Jahren Abstand aufgenommen wurde. „Departures“ ist dabei ein bisserl flotter und zugleich bluesiger, „Arrivals“ ist etwas gechillter, klassischer, poppiger. Man könnte jetzt natürlich sagen: „Hallo, diese Band sucht noch nach der endgültigen Richtung.“ Man könnte aber auch sagen: „Alles geht mit Deasel Weasel!“ Weil: Fad wird es mir diesen beiden Produktionen nie.
Foto: toxeenfox
Ruhmer: „The Masterplan“, Recordjet VÖ 30. 5. 2025
David Ruhmer ist so etwas wie gelernter Schlagzeuger mit reichlich Band- und Tourerfahrung. Der Masterplan klingt nach Retro-Feelings, Soul, Indierock und DIY. Alles professionell, sehr professionell. Und stylish. Sehr sogar. Wir verzichten jetzt auf Hinweise auf andere Bands und Künstler:innen und verschweigen, dass uns manches an … erinnert. Der Masterplan ist in sechs Monaten entstanden, sagt der Pressetext. Und er wird uns länger als sechs Monate begleiten, sagen wir. Weil: Es eine sehr schöne, entspannte Platte ist, die in jeden guten Indie-Haushalt gehört. Übrigens ist Ruhmer auch die Optik ein großes Anliegen. Siehe seine Videos, die zum Teil auf Fuerteventura gedreht wurden, und generell das Artwork. Mal reinschauen?
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Pandoras kleine Schwester: „Synchronschwimmen“, VÖ Juni 2025
Die immer populäreren Grazer Local Heroes zwischen Café Wolf und Stukitzbad haben einen neuen Tonträger am Start. Der spielt mit Schrammel-Stimmungen, mit Klezmer und Swing, mit Pop und durchaus auch mit Songs, die an die guten alten Liedermacher (Danzer et. al.) erinnern. Herzzerreißend, hinreißend, immer mit voller Überzeugung. „Vielleicht ist es besser, wenn man sich schleicht…“ – kann sein, aber ihr nicht in den nächsten paar Jahrzehnten, liebe Pandoras. Im Gegenteil: Jeder Track dieser immer noch jungen und ungestümen Band wird reifer und besser. Das Album hätte sich jetzt schon eine Vinyl-Version verdient, wenn man uns fragt. Aber das kann ja noch werden, genauso wie eine echte Website, auf der man mehr über die Band findet als das bisschen, das Facebook hergibt. Alles klar?
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Oser-Steinrück Quartett: „Oser-Steinrück Quartett“, VÖ 9. 5. 2025
Wenn uns wer gefragt hätte, uns wären schon noch andere Titel für das Album eingefallen, aber bitte. Die Grazer Partie hat sich Brazil- und „Gipsy“-Standards verschrieben. Und nennt das Ergebnis selbst: „Weltmusik in jazzig-kammermusikalischem Kontext mit Raum für improvisatorische Ausflüge.“ Da bleiben eigentlich kaum mehr Fragen offen. Die Qualität ist hoch, die Stimmung gut. Und so touren Nives & Stefan Oser (Gitarren), Gerhard Steinrück (Kontrabass) und Fabian Steinrück (Schlagzeug) auch ab und an durch die heimischen Gefilde. So sind sie am 6. 6. (eh klar) in Bad Radkersburg. Für Fans von World Music und Latin ist das fast so etwas wie ein Pflichttermin.