„Immer noch hier. Von Ängsten und Alten und alten Ängsten“.
Von Rebekka David & Ensemble mit Texten von Moliere, Shakespeare und Tschechow. Schauspielhaus Graz
Dr. Rudi (the one and only Widerhofer!), der schon etwas vergreiste Chef des Instituts zur Überwindung der Angst vor dem Alter, begrüßt uns zum Tag der offenen Tür. Pflegeleiterin Sonja assistiert ihm und kümmert sich vorrangig um drei vom Leben und vom Altern durchgebeutelte Leutchen. Der eine war wohl einst der stolze König Lear, nun jammert er nach seinen Töchtern und setzt zu brachialen Schimpftiraden an. Der zweite ist der knausrige Harpagon und stammt im Original aus der Feder von Moliere. Die dritte im Bunde ist Wanja, erdacht von Tschechow. Ihr Leben am Rande der Stadt spielt sich von Mahlzeit zu Mahlzeit, von Fußbad zu Massage ab. Wäre da nicht der junge Frosine (Dominik Puhl), der alles drunter und drüber wirbelt und gegen Ende hin gar im Teich nach Harpagons Vermögen taucht.
Rebekka David nutzt auf spielerische Art nicht nur die Texte der erwähnten Autoren, sondern auch die Übersetzungen aus verschiedenen Zeiten, sie mischt Sprachmelodien und Charaktere zu einem beige-bunten Durcheinander. Sieben ältere Grazer:innen rund um die 80 geben dem Ganzen einzeln und als Chor einen charmanten Hauch von Seniorenresidenz-Realismus.
Beginnen wir das Lob mit denen, die höchstens zur Premiere auf die Bühne gebeten werden. Ausstattung und Bühnenbild von Robin Metzer: Zum Niederknien. Der Bankomat im Hintergrund. Der Schilfgürtel. Das Haus, vor dem die Alten sitzen. Die Kostüme von Anna Maria Schories: Ein poppiges Fest quer durch die Geschichte. Musik (Camill Jammal), Dramaturgie (Male Günther), Licht und Lichtspiele (Viktor Fellegi) stimmungsvoll. Und die Regie von Rebekka David: Zwischen kurzatmig und kurzweilig, mit vielen Einfällen und so gut wie ohne Längen. Die 100 Minuten vergehen wie im Fluge.
Simon Kirsch wuchtet im Lear-Style beachtliche Textmengen auf die Bühne und überzeugt als verzweifelter Ex-König in jeder Sekunde. Sara Sophia Meyer als Wanja schleppt sich mit ihrem Gehstock zwischen komödiantischen Miniaturen und grantiger Grandezza durch die Szene. Mario Lopatta verkörpert den Katarrh und feiert die Philosophie des „Geiz ist geil“. Zwischendurch wehrt er sich gegen Lear mit einem gut gekonterten „Haubentaucher!“ Dominik Puhl als Frosine bringt den Laden zum Leuchten. Und Anna Klimovitskaya als hinreißende Sonja wechselt zwischen Souveränität und Verzweiflung.
Es ist ein Abend, der das Alter gnadenlos seziert, der sich auf humor-, aber auch respekt-, lust- und liebevolle Weise mit dem Schwinden von Kraft und Optimismus auseinander setzt. „Only the good die young?“ Sicher nicht in diesem Institut. Und sicher nicht mit diesem schillernden Ensemble.
Noch zu sehen am 6. 5., 7. 5., 15., 17. und 22. 5., 18. 6. und 20. 6. Karten und Infos gibt es hier: schauspielhaus-graz.buehnen-graz.com
Fotos: Joe Ambrosch