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herbstblog#2: Die Automatin

Ensemble Zeitfluss & Automatenklavierspieler.
Alisa Kobzar. Winfried Ritsch. Orestis Toufektsis. Elisabeth Harnik. Dimitri Papageorgiou

Alles spricht von Künstlicher Intelligenz, von smarten Maschinen, die sukzessive Aufgaben des Menschen übernehmen. Die Entwicklung macht auch vor der Musik nicht Halt, wie ein Blick in die Charts, aber vor allem auch dieser Abend beweist. Komponist Winfried Ritsch hat einen Klavierautomaten entwickelt – oder wie er sagt: eigentlich eine Automatin. Im Vorfeld des musikprotokolls hielt er einen Workshop mit seinen Kolleg:innen ab, um ihnen Grenzen und Möglichkeiten des automatisierten Klaviers zu demonstrieren. Das Instrument spielt schneller und variantenreicher, als es ein Mensch könnte. Der Computer aber muss dann doch präzise bedient werden, so geht zumindest kein Arbeitsplatz verloren.

Die ersten Stücke von Alisa Kobzar („Projections“), Winfried Ritsch („When physics starts to resist II“)  und Orestis Toufektsis („Timescales 4“) nutzen die Maschine auf sehr unterschiedliche Weise. Wie das klingt? Cineastisch, athmosphärisch, rasend schnell und dann wieder behutsam und dezent. Das Orchester unter Dirigent Edo Micic brilliert in allen Situationen. Es ist ganz bestimmt nicht die leichteste Übung, mit dieser Automatin und ihren 88 Tasten zu kooperieren. Die Apparatur kann gleichzeitig verschiedene Klaviere imitieren. Repetitionen sind in atemberaubender Geschwindigkeit möglich, schneller als es die Mechanik eines Klaviers überhaupt zulässt. Und man kann sogar alle Töne mit unterschiedlichen Anschlagstärken spielen.

Bei Alisa Kobzars Komposition wird der automatisierte Pianist mit Algorithmen und damit streng genommen mit einer zweiten Maschine gesteuert. Bei Elisabeth Harnik („Le non-art de délier les doights“) wird mit Midi-Files improvisiert. Sie setzt auf Cluster aus schwarzen und weißen Tasten. Das Orchester hat kurze, punktuelle Einsätze, die punktgenau erfolgen müssen. Das automatisierte Klavier steht im Fokus des Geschehens. Ein Experiment, das erfreulicherweise voll und ganz gelingt. Die Komponistin wirkt denn auch sichtlich erleichtert, als das Ensemble Zeitfluss mit ihrem Stück in die Zielgerade einbiegt. Dimitri Papageorgiou („Fourteen Echoes for an Absence“) geht einen anderen Weg als Harnik, er dreht das Geschehen gewissermaßen um. Das Ensemble darf zeigen, was es kann. Das Klavier begleitet minutiös, aber reduziert.

Ein spannender Abend, der in der Halle D wie Detroit mit dem Splitter Orchester und dem Trondheim Jazz Orchestra einen innovativen Impro-Abschluss im Zeichen der Ethik fand. Man sollte öfter zum musikprotokoll gehen.

Foto: Winfried Ritsch und Rainer Elstner (musikprotokoll),
© haubentaucher.at 2024

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