Margit Niederhuber, Walter Gröbchen (Hg.): “Redn kaun ma boid. Sigi Maron Lesebuch”, mandelbaum verlag Mai 2024
Der linke Poet Sigi Maron wäre Mitte Mai 80 Jahre alt geworden. Leider ist er bereits im Juli 2016 verstorben. So ist ihm allerdings auch einiges erspart geblieben, über das er sich bestimmt ordentlich aufgeregt hätte. Der Siegeszug von Spotify etwa, ein Portal, das Musiker:innen unterhalb der Pop-Star-Grenze mit Niedrigsgagen abspeist. Der Triumph der extremen Rechten bei Wahlen, wie auch heuer wieder zu befürchten. Die Pandemie samt selbsternannten Querdenkern.
Der ebenso empathische wie streitbare Kommunist Sigi Maron hat sich Zeit seines Lebens zu Wort gemeldet, zur Wehr gesetzt gegen Ungerechtigkeiten aller Art. Gegen die Ausbeutung von Zeitungsverkäufer:innen, gegen die biedermeierliche Haltung von Ö3-Chef Klausnitzer, gegen Atomkraft, gegen die Zerstörung der Natur, gegen Ausländer:innenfeindlichkeit, gegen den Missbrauch der Psychiatrie, gegen Rechtsextremismus und und und.
Seine Songs geben auch heute Auskunft über Marons Positionen und über musikalische Kooperationen, die unsereinem als damals noch eine Spur zu jungem Musikliebhaber teilweise entgangen sind. Großartig etwa der späte “Maronlandler” gemeinsam mit Attwenger, aber auch die Lieder, die Maron mit Konstantin Wecker, Kevin Coyne und anderen aufgenommen hat.
Das Buch von Niederhuber und Gröbchen erzählt die Lebensgeschichte von Sigi Maron aus unterschiedlichen Perspektiven. Freundinnen und Freunde kommen ebenso zu Wort wie die Familie, musikalische Weggefährt:innen oder Politiker:innen wie Andreas Babler und Elke Kahr. Interessant auch die Sichtweise von Musiker:innen wie Birgit Denk und dem wortgewaltigen Punk Rainer Krispel, von Marons Freund und Edel-Fan Peter Turrini oder von Heidi List.
Zeitungsausschnitte, Tourfotos und vor allem viele viele Lyrics runden die Texte ab. So ganz nebenbei erfährt man, dass Fritz Nussböck und Sigi Maron unter den Pseudonymen S. Feed (respektive Fied) und F. Beck den österreichischen Songcontest-Beitrag 1995 geschrieben haben, allerdings nicht zum Event mitkommen durften (wahrscheinlich: eh nicht wollten).
Es ist dies ein Buch, das Sie selbst dann kaufen und lesen sollten, wenn Sie mit dem Maron und seinen Songs bisher gar nicht viel anfangen konnten. Denn Sie werden die 70er und 80er in völlig neuem Licht sehen. Nicht nur die musikalische Landschaft, sondern auch den Alltag. Wenn etwa der Lehrer der Kommunistentochter schaden will. Oder die Polizei den Rollstuhlfahrer von der Bühne trägt. Wäre schön, wenn solche dunklen Zeiten nicht mehr wiederkehren.
Eine Warnung allerdings: Wenn Sie das Buch lesen und eine schöne Auswahl der besten Songs von Maron auf der parallel erschienenen Platte hören, werden Sie den einen oder anderen Ohrwurm nicht mehr los. Ich zum Beispiel singe schon seit Tagen: “Geh no net furt”.
Bild: Sigi Maron porträtiert von seiner Tochter Nina