JOYCE HÜBNER: „The Joy(ce) of Running. Der Lauf meines Lebens“, Malik Verlag 2024
Joyce Hübner ist das, was man heute eine Influencerin nennt. Auf Instagram hat sie immerhin 63.700 Follower:innen. Wenn sich davon 10% dieses Buch kaufen, geht sich das ganze schon einigermaßen aus. Der Einsatz war aber auch entsprechend: Hübner hat sich fast ein Jahr lang mit kaum etwas anderem beschäftigt als mit Laufen. 120 Marathons, 5.127 Kilometer und fast 70.000 Höhenmeter stehen zu Buche. Damit hat sie wohl als erste Deutschland umrundet. Respekt!
Das Genre boomt derzeit. Jonas Deichmann (267k Follower:innen auf Insta) absolviert derzeit 120 Triathlons am Stück. Andere radeln bis in den Iran oder nach Australien ohne Unterstützung durch ein Team, sie rudern allein über den Atlantik oder laufen quer durch die USA. Alles vermutlich mäßig gesund, aber darum geht es auch nur bedingt. Warum Hübner die 120 Marathons (zumindest mit dem einen oder anderen Ruhetag zwischendurch) in Angriff nimmt? Weil sie das Laufen seit einigen Jahren lieb gewonnen hat und wohl auch von dem einen oder anderen familiären Problem und beruflicher Langeweile Abstand gewinnen will – um nicht „davonlaufen“ zu schreiben. Die Offenheit diesbezüglich hat sie sich übrigens tatsächlich für das Buch aufgehoben, das wird in der schönen heilen Insta-Welt nicht thematisiert.
Das Werk erinnert allerdings auch in der gedruckten Form deutlich an ein Tagebuch und hebt sich damit doch ab von den abenteuerlichen Berichten eines Jonas Deichmann („Das Limit bin nur ich“). Der Lauf beginnt atemberaubend in den Bergen, danach geht es auch thematisch flacher dahin. Die Geschichte dreht sich eher darum, wie viele Menschen mitlaufen und wie viele Kilometer Umweg sie machen muss. Soll heißen: Man erfährt leider relativ wenig über das Laufen an sich oder speziell über Ultrarunning. Ein bisschen Landeskunde gibt es, doch auch davon hätten wir gern mehr gehabt. Hätte halt vielleicht der „Praktikant“, wie Hübner ihren Lebensgefährten wenig charmant nennt, seine Eindrücke stärker beigetragen können oder sollen. Statt spektakulärer Naturfotos gibt es jede Menge Selfies. Passt alles gut zur primären Zielgruppe.
Und so ist das Buch eben doch eher kein Laufbuch, sehr wohl aber eine schöne Motivationshilfe für Menschen, die gerade in einer Sackgasse des Lebens stecken oder sich ein „verrücktes“ Ziel setzen wollen. So wie die meisten „Ultras“ wird sich Hübner nun ein neues Projekt suchen (müssen). Auf Insta werden wir es sicher erfahren, ob es ein neues Buch braucht, sei dahingestellt.