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Buch des Monats Dramen, die das Leben schrieb

Beschädigungsbuch des Monats Dezember

Gereon Klug: „Die Nachteile von Menschen – 132 Beschädigungen aus dem reflektierten Leben“, Ventil Verlag 2023

Schon einmal darüber nachgedacht, dass „‚Fantasie wie Beton ist’ […] weil es eben darauf ankommt, was man daraus macht. Und es stimmt. Das leichte, flüchtige, zarteste ist am Ende am härtesten in der Herstellung.“ Und haben Sie eigentlich gewusst: „‚Deichkind’ sind ohne Strom komplett unhörbar und ‚die Onkelz’ sind auch nur Schreibtischtäter ohne Schreibtisch.“
Aber hallo – was geht denn hier ab? „Okay, Mund abwischen, Onkelz (Fans) jammern nicht!“

Während man solche Zeilen liest, nickt und zustimmt, grinst man innerlich vor sich hin und fragt sich letztendlich: Wie kommt Gereon Klug auf diese Lebensweisheiten und Beobachtungen für Hirn, Herz und Zwerchfell?

Vielleicht kennt man die in Siegen (Deutschland) geborene Persönlichkeit Gereon Klug aka Hans E. Platte besser als Liedtexter (Deichkinds „Leider geil“), Tourbegleiter (von Rocko Schamoni), Kolumnist, Podcaster oder Schallplattenhändler. Klug ist nicht nur Sprachakrobat, Listenfetischist oder Wahrheitsfinder: Er schreibt auch (den besten Newsletter Deutschlands) für die „FAZ“ und publizierte für „Die Zeit“, „titanic“ und angeblich auch für das „Handelsblatt“. Das vorliegende Werk enthält Klugs sämtliche „Zeit“-Kolumnen und massig unveröffentlichte Texte.

Folglich beschäftigt sich „Die Nachteile von Menschen“ sehr unterhaltsam mit Beobachtungen und Empfindungen. Klugs Feingefühl für alle Spezies blitzt immer wieder elegant auf – während seine Erfahrungen und die gesellschaftliche Kritik die Leserinnen und Leser pointiert und klug vorantreiben und im richtigen Moment wieder loslassen.

Es muss gleich mal raus: „Die Nachteile von Menschen“ ist ein amüsantes Kunstbuch mit herrlichen, albernen Beobachtungen, Wortspielen, unzähligen Listen zum Nachdenken – und hebt sich von all der gewöhnlichen Humorliteratur und den Sammelsurien durch seinen Sprachwitz deutlich ab.

Klug lebt und sammelt inzwischen Schallplatten in Hamburg und möchte bald ein Museum gründen. Er ist gleichzeitig lebender Zeitzeuge und Hamburger, Digger! Beim Lesen spürt man seine Hassliebe zur Musikszene, zu sozialen Netzwerken und Kids – und er überzeugt dabei mit scharfer Beobachtungsgabe. Die Leserinnen und Leser erfahren unter anderem, wo die Kunst der Zucker des Lebenskaffees ist, was der Unterschied zwischen neumännlich und „lumbersexuell“ ist und was der Autor unter „farbentaub“ versteht. Ebenso beeindrucken das umfangreiche Inhaltsverzeichnis, das Vorwort von Jan Weiler sowie die Zeichnungen von Carsten „Erobique“ Meyer.

Der Autor hat damit einen vor Details strotzenden Schenkelklopfer konstruiert. Er überzeugt mit vielschichtigen Erzählungen (und Listen!) und schafft es, seine Enttäuschung bezüglich der aktuellen Jochen Distelmeyer Platte („Gefühlte Wahrheiten“) oder neumodischen Ereignisse wie „Black Friday“ pointiert zu thematisieren.

Das Werk ist facettenreich, unterhaltsam und manchmal echt schräg. Wer gerne Strunk oder Schamoni liest, wird Klug verschlingen. Und wenn Gereon Klug behauptet: „Dieser Text will alles sein, aber nicht nichts“, dann …
… merkst du selber, oder!?

aL Dezember 2023

 

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