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Tonträger des Monats März / Ö

Oskar Haag: “Teenage Lullabies”, Lullaby Records, VÖ 3. 3. 2023 

Das größte österreichische Musiktalent der letzten 25 Jahre (um es zurückhaltend zu formulieren) wurde als erstes von FM4 gespielt und dafür sei dem Sender (und speziell Großmeister Ostermayer) herzlich gedankt. 2022 dann haben wir den jungen Mann live bei Platoo in der Scherbe gesehen und am Dach der Kleinen Zeitung war er und auch sonst überall, wo es sich ausging. Damals musste er die Zugaben zuweilen noch aus Songs bestreiten, die er bereits gebracht hatte, das Werk war noch zu schmal für 60 Minuten.

2023 nun endlich das erste Album. Und was soll man sagen? Es ist wunderschön geworden. Es ist vielschichtig und nur komische Kolleg*innen schreiben darüber Sätze wie diese: “Next time he could leave out the tender indie ballads, in which not much happens apart from plucked strings and breathy vocals”.

Hallo, geht’s noch?

Gerade die zarten Indie-Balladen sind es doch, die neben Krachern wie Stargazing (eh auch auf seine Art zart und indie) die Herzen übergehen lassen. Die Platte ist für einen 17-Jährigen halt auch erstaunlich reif und abgeklärt und cool. So haben wir uns etwa spontan in “Sober” verliebt, das so schön andockt an manche andere österreichische Indie-Songs. Und wenn Oskar Haag jetzt wieder auf Tour geht (9. 3. Graz!), dann werden diesmal auch neue Zugaben drin sein.

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Sibylle Kefer: “hoid”, Medienmanufaktur Wien, VÖ 3. 3.

Jazzsängerin, Musiktherapeutin für Kinder, langjährige musikalische Begleiterin von Ernst Molden. Sibylle Kefer ist eine Größe der heimischen Musik, aber tendenziell eine, die sich nicht in den medialen Vordergrund drängt. Kefers künstlerischer Lebenslauf ist ebenso beeindruckend wie ihre bisherigen Alben, ob in Kooperationen oder solo. Ihr sechstes Album beginnt mit Klaviertönen und einer Stimme, die Wut und Resignation in düstere und helle Momente gießt. Die nächste Nummer “oa zeit” zeigt eine gänzlich andere Facette der Sängerin, einen neuen Sound. In der Tonart geht es weiter. “hoid” ist eine gewaltige Platte, die jede vorschnelle Einordnung zunichte macht, die dir die Ganslhaut aufziehen wird und die dir das schöne Gefühl gibt, dass du gerade große Kunst auf ganz gelassene Art genießt. Textlich, stimmlich, musikalisch ein erster echter Benchmark in diesem Musikjahr aus heimischer Sicht. Nicht verpassen: Sibylle Kefer am 23. März im Radiokulturhaus in Wien.

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Lil Julez: “It Was A Hoax”, Fabrique Records, VÖ 24. 3.

Nicht ganz so jung wie der Herr Haag, aber auch noch sehr frisch im Geschäft: Lil Julez aus Wien mit seinem ersten Album. Und wieder war es FM4, das hier zum Start eine Plattform bot. Der Name Lil Julez klingt für uns nach Rap. Ist es aber nicht. Hinreißend-schwungvoller Indie-Pop, wobei der Musiker selbst sich gerne der “Bedroom-Pop”-Bewegung zurechnet. Der eine oder andere Anklang an Hip-Hop ist dann aber doch dabei ebenso wie zarte Querverweise auf gut abgehangenes Croonertum und Disco. Die Zusammenarbeit mit Synthie-Spezialist Patrick Vanek ist mehr als deutlich zu hören.

Die Sounds klingen erst mal recht happy (“lalala”), aber dahinter verbirgt sich Melancholie und Humor mit einer bitteren Note. Da darf aber sogar gern in Zukunft noch ein bisschen mehr Tiefgang rein, wenn es nach uns geht. Lieblingssong und Anspieltipp: “Money & More”.

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Stuart Neville: “Seatbelts Save Lives”, Voller Sound, VÖ 24. 3.

Der Schotte, der seit Jahren in Wien lebt, und den wir deshalb hier kurzerhand eingemeinden, arbeitete seit 2021 an der Platte. Andreas Voller, einer der verdientesten Leute der Wiener Musikszene, hat diese nun auf den Markt gebracht. Und falls hier jemand von Backwood aus Hartberg mitliest: Der Mann muss zu euch, der passt perfekt ins Programm. Weil?

Grandiose, leicht aufgeraute Stimme, erstklassiges Gitarrenspiel, ein Wechselspiel zwischen kämpferischem Aufruhr und Melancholie. Und ein schottisches Englisch, das nicht nur Anglist*innen begeistern wird. Wir dürfen kurz aus dem Pressetext zitieren: “A handpicked, nine-song album, drawing on themes such as empire, long romance, xenophobia, good friendship and gaslighting. And an album that’s been a good, long while in the making.” Und weiter: “Dreadnought acoustic guitars, woven with wistful synth pads and heavy keys, sampled percussive elements and chewed-up tape sounds.” Oder wie wir Primitivlinge sagen würden: F***, ist das groß! 

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Nike101: “zu viele Hobbies”, Futuresfuture, VÖ 10. 2.

Und wieder ein Debut, das Jahr hat es echt in sich. Die Nike, die sich Nieke aussprechen lässt, ist eine junge Wiener Rapperin. Sie baut auf ihrer Platte alles ein, was derzeit angesagt ist. Auto-Tune inklusive. Manche Songs klingen banal und gehen voll in die Tiefe. Andere Tracks laden eher zum beliebten Spiel ein: “Woran erinnert mich das nur?” So richtig viel Eigenständigkeit haben wir da in Summe noch nicht entdeckt, aber das kann ja noch kommen. Und eines ist auch klar: Das Talent von Nike101 ist unbestreitbar, gerade auch in Sachen Text.

Foto: Jayredavience Diquit Gamboa

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Zelda Weber: “Crude” monkey. VÖ 3. 3. (Vinyl am 22. 4.)

Und dann haben wir ganz am Schluss noch was ganz Feines für euch. Zelda Weber stammt aus Burgau in der Steiermark, auch sie ist sehr jung und hat sehr sehr viel drauf. Anderer Stil als die Nike/Nieke oder der Oskar. Jazz, Blues, Soul, bis hin zum Pop, alles außer Rap & Metal jedenfalls. Eine Stimme, die dich umhaut. Der Pressetext erinnert logischerweise an Größen wie Amy Winehouse oder Billy Holiday. Da warten wir jetzt vielleicht noch ein bisschen…

Denn “Crude” ist ein fantastischer Start, aber das passende Platzerl in der Musikgeschichte will erst gefunden werden. Soll heißen? Die Songs auf der Platte sind allesamt Eigenkompositionen und hängen doch noch sehr stark am Werk von Vorgängerinnen. Vielleicht wäre da irgendeine interdisziplinäre Kooperation hilfreich. Wie auch immer: Ein Album, das ihr heuer hören solltet. Und ein Name, den wir uns merken werden.

 

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