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Fußballbuch des Monats

Klaus-Dieter Stork und Jonas Wollenhaupt: “Links kickt besser. Der Mythos vom unpolitischen Fußball”, Westend Verlag 2022

Bald wird in Katar die absurdeste Fußball-Weltmeisterschaft seit Ewigkeiten angepfiffen. Da kommt dieses Buch gerade recht. Wobei: Der Titel ist schon auch etwas seltsam oder?

Aber gut, die Autoren wollen glücklicherweise nicht den Beweis für ihre schräge These antreten, sondern das Politische im Fußball aufstöbern und offenlegen. Das beginnt historisch bei den ersten Arbeitermannschaften oder eigentlich noch früher: bei den allerersten nationalistischen und chauvinistischen Aufwallungen im deutschen Fußball. Weiter geht es zu Herberger, der dem Team ausgerechnet in der NS-Zeit den Drill abgewöhnen wollte. Übrigens: Schon 1934 regte sich von linker Seite Widerstand an der WM. Es wurde eine Gegenveranstaltung ins Leben gerufen, die die Sowjetunion gegen Norwegen gewinnen konnte. Ein spannendes Kapitel ist dann die jüdische Geschichte des Fußballs, die ja auch in Österreich langsam aber sicher aufgearbeitet wird. Insbesondere Walther Bensemann ist einer, der sich in dieser Zeit um die Entwicklung des Ballsports verdient machte.

Wir nähern uns der Gegenwart und da zweifelt wohl nicht nur die Linke an der Grandezza von Fifa & Co. “Das Einmalige oder, anders ausgedrückt, das Seltene wurde in den vergangenen 30 Jahren zum Alltäglichen”, schreiben Stork und Wollenhaupt, und weiter: “Die unendliche Reproduzierbarkeit der Fußball-Kultur-Industrie hat dem Spiel den Zauber genommen”. Und dabei spielt die Fußballkapitalisierungsmaschine Red Bull bis zur Seite 113 noch gar keine Rolle. Statt dessen springen die Autoren weiter in die Kurven, untersuchen rechte und linke Fan-Gruppierungen. Hier könnte man den beiden auch durchaus die eine oder andere romantisierende Sichtweise vorwerfen. Denn Ultras demonstrieren nicht nur gegen Diktatoren und unterstützen soziale Initiativen, manche so genannten Fans zerlegen eben auch Stadien und ziehen wie eine wilde Horde durch die Innenstädte – zuletzt sehr augenscheinlich als Feyenoord Rotterdam mal wieder in der Stadt war.

Was Hymnen können – und was nicht –, was Investoren bringen – und was nicht –, das alles lässt sich sehr kompakt nachlesen. Die Schiris kriegen auch ziemlich viel zu hören, so schreiben Stork und Wollenhaupt etwa von nicht zu übersehenden Tendenzen zugunsten der Bayern in der deutschen Liga. Mehr Neuigkeitswert haben dann zumindest für unsereinen die Passagen über den FC Midtjylland, der heuer ja gegen die Grazer Schwarzweißen spielte und der für die Autoren als “Labor des Fußballdaten-Kapitalismus” gilt. Ansonsten hätte das Buch von einer internationaleren Perspektive profitiert. Ein bisschen weniger Bundesliga und etwas mehr linker Fußball aus England, Spanien (Rayo!), Italien und natürlich Lateinamerika, das wäre für eine etwaige Neuauflage ein Gewinn.

Wir kommen in die Nachspielzeit und damit zu einer zentralen Frage: Hat der “wilde Fußball” bei all den Millionengeschäften überhaupt noch eine Chance? Oder wird er selbst vom Kapital inhaliert und absorbiert werden? Wer dies und noch vieles über den traditionellen und “modernen” Fußball lesen will, sollte sich “Links kickt besser” zulegen.

Trotz des Titels.

 

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